Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das darf doch nicht wahr sein! Wie oft denke ich das, wenn in der Tagesschau irgendwas gemeldet wird. Besonders, wenn es um eine politische Entscheidung geht, mit der ich  nicht einverstanden bin. Weil ich sie unvernünftig finde oder unverantwortlich oder ungerecht, einfach falsch eben. Da kann ich mich so richtig aufregen. Wie kann man nur! Das ist doch nur wegen der Wahl, die bald ansteht. Oder um sich zu profilieren, gegen die Regierung oder gegen die Opposition, darauf kommt's gar nicht an.
Manchmal ärgere ich mich dann so in Rage, dass ich mich nur schwer beruhigen kann. Aber mittlerweile habe ich zum Glück einen Trick gefunden: Wenn ich mich wieder mal darüber aufrege, dass die Welt läuft wie sie eben läuft, dann stelle ich mir vor, man würde mir sagen: Okay - hier hast du die Welt. So, und jetzt mach mal. Mach mal alles besser, das kannst du doch, oder? Wenn ich mir das vorstelle, bin ich auf der Stelle ernüchtert. Ich komme mir dann vor wie die berühmten Sofakicker, die auch alles besser wissen und nicht mal quer über den Platz rennen könnten, ohne aus der Puste zu kommen. 
Es wäre mir himmel-, nein höllenangst, wenn ich wirklich die Welt ordnen müsste. Denn mit kühlem Kopf merke ich erst, dass ich es höchstwahrscheinlich eben nicht besser hinkriegen würde, anders sicher, aber ob das wirklich besser wäre, wenn ich meine Vorstellungen von Politik, von Gesellschaft, von Wirtschaft, von Recht verwirklichen könnte? Und dann all die Zwänge, aus der Wirtschaft, aus der klammen Staatskasse. Der Druck der unterschiedlichen Interessengruppen, der die Politik oft lähmt und die Politiker hindert, ihre Wahlversprechen einzulösen. Nein, ich wollte wirklich nicht mit ihnen tauschen, und wenn ich's mir recht überlege, finde ich, dass sie keinen besonders dankbaren Job haben. Denn sie müssen Entscheidungen treffen und verantworten. Ich hab's da einfacher, ich brauche nur zu kritisieren, ohne zu beweisen, dass ich's besser könnte. Aber ich muss ja nicht nur kritisieren, ich kann noch was machen: ich kann für sie beten. Ich kann sagen: Gott, sei du dabei, wenn Menschen über Menschen entscheiden müssen. Sei du dabei, denn ihr Weitblick reicht nicht weit genug, und ihre Kraft ist begrenzt. Sei du dabei, denn wir brauchen dich, wir alle miteinander.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9864
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