Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

'Bitte, räum deine Schuhe aus dem Flur.' - 'Ja, gleich.' - 'Nein, nicht gleich, jetzt!' Seit Generationen wiederholen sich solche Dialoge. Es scheint fast ein Gesetz zu sein: Klare Aufforderungen, etwas zu tun, provozieren so was wie Gegenwehr. Ja, gleich heißt im Klartext: vielleicht irgendwann, aber niemals: sofort. Vielleicht hat man schlicht keine Lust, weil es gerade was Spannenderes gibt. Vielleicht will man dadurch auch zeigen: Ich bin kein Befehlsempfänger, ich entscheide selbst, ob ich das mache und vor allem wann. Gerade für Kinder ist es ja auch wichtig, dass sie lernen, nicht nur wie ein Automat auszuführen, was ihnen aufgetragen wird, sondern wenigstens teilweise selbst entscheiden zu können.
In den katholischen Gottesdiensten wird heute ein Bibeltext gelesen, in dem es auch um eine klare Aufforderung geht, und um die Antwort darauf. Am See von Galiläa trifft Jesus zwei Fischer, die Brüder Simon und Andreas. Sie sind gerade mit ihren Netzen beschäftigt, bei Berufsfischern gehört das ja zum Arbeitsalltag. Jesus sagt kurz und präzise: Kommt, folgt mir nach! Und dann die große Überraschung: Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. (Matthäus 4, 20) Zwei ausgewachsene Männer, harte Burschen, die wissen, wie das Leben läuft. Und dass einem nichts geschenkt wird. Die sollen von jetzt auf gleich alles stehen und liegen lassen und einem Wanderprediger folgen? Mitkommen - wie stellst du dir das vor? Aber nein, die beiden sagen nicht 'Ja, gleich', sie sagen gar nichts, sie gehen einfach mit. Ich habe mich schon oft gefragt, wie das denn sein kann. Und zwei mögliche Antworten gefunden. Vielleicht ist die Geschichte halt sehr verkürzt erzählt, sozusagen nur der Anfang und der Schluss. Denn am Ende kommt es ja mehr darauf an, dass sie mitgegangen sind als auf das Wie und Wann. Es könnte aber auch so gewesen sein: Die beiden begegnen diesem Jesus und spüren sofort: Hier ist etwas, wonach wir uns immer gesehnt haben. Hier geht es um mehr als um den täglichen Kampf ums Auskommen, um die kleinen Sorgen und Freuden des Lebens. Hier geht es ums Leben selbst. Ums Dürfen, nicht ums Müssen. Kommt, folgt mir nach! Das klingt dann nicht mehr nach Opfer, sondern nach Angebot, nicht nach Verzicht, sondern nach einer verlockenden Einladung. Und wer wollte da widerstehen!

 

 

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