Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Neues Jahr, neues Motto. Klar, haben auch die Christen eins. Die Jahreslosung aus der Bibel. Die für 2011 haben Sie vielleicht schon gehört: Lasst euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem. Mir klingt das fast ein bisschen zu platt. Nach schwarz und weiß, Engelchen und Teufelchen. Sollte die Welt so einfach sein und wenn ja, auf welcher Seite stehe ich? Klar, will ich auch zu den „Guten" gehören. Wenigstens solange, bis jemand einen fiesen Kommentar auf meine Kosten macht. Und dann? Pampe ich natürlich sofort zurück. Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen! Der andere hat mich schließlich provoziert. Schon wird aus meiner weißen Weste ein hässliches schmuddelgrau. Ob ich will oder nicht, „Böses" begegnet mir auch in meinem Leben. Böse Blicke, gemeines Getratsche hinter meinem Rücken, vielleicht auch Mobbing. All das meint der Lebenshilfetipp aus der Bibel vermutlich, mit dem Bösen. Aber wie überwindet oder besiegt man das? In dem großen Mietshaus, in dem ich wohne, versuchen es manche Nachbarn über Zettel im Hausflur. Ein Nachbar hat sich da beschwert, jemand hätte seine Pflanzen im Flur kaputt gemacht. Vergiftet sogar. „Wir wissen, wer das war", steht auf dem Zettel. Dahinter viele Ausrufezeichen. Man kann dem Bösen in aller Offenheit drohen. Aber, hilft das? Wochen später, ein anderer Zettel. Diese Nachbarin schreibt: Ich bin enttäuscht, wie in meiner Wahlheimat Konflikte ausgetragen werden. Wenn Sie, sehr geehrter Herr Nachbar, etwas gegen mich oder meine Familie haben, kommen Sie bitte direkt auf uns zu, statt uns anonym bei der Hausverwaltung anzuschwärzen. Wir laden Sie auch gern zum Essen ein, dann können Sie selbst probieren, wie toll das schmeckt, was ihnen bisher so stinkt. Darunter, keine Drohung, sondern ein Name. Respekt. So könnte es gehen, mit der Überwindung des Bösen. Das Böse nicht mit gleicher Münze zurückzahlen, sondern selbst nach einer Ohrfeige immer noch nach dem Guten suchen, nach einer Lösung. So weit ihr es in der Hand habt, versucht friedlich mit all euren Mitmenschen zu leben. Das steht, wenn man weiter liest, auch noch in dem Jahresmottoabschnitt der Bibel drin. Nicht, weil Christen sich alles gefallen lassen müssten. Aber Böses mit Bösem besiegen, das funktioniert nicht. Rache und Vergeltung sollen wir getrost Gott überlassen. Und uns darin üben, das Gute zu tun. Versöhnung anzubieten. Ich wüsste brennend gern, ob der Nachbar die Einladung zum Essen angenommen hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9834
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