Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Natürlich liebte der Vater nicht alle seine Kinder gleichermaßen. Mich mochte er nicht." Dieser Satz ist doch der Hammer. Wie sie das so geschrieben hat, die oberschwäbische Schriftstellerin Maria Beig. So nüchtern, so selbstverständlich, als ob es das natürlichste der Welt sei, dass Eltern ihre Kinder nicht alle gleich lieben. Mit ihren knappen Worten beschreibt sie eine der schmerzlichsten Erfahrungen, die Kinder machen können. Dass ihr Vater oder ihre Mutter sie weniger lieb haben als ihre Geschwister. Oder schlimmstenfalls gar nicht. Eine solche Erfahrung schleppen Menschen ihr Leben lang mit sich. Und dass diese Erfahrung eine so uralte wie leider auch zeitlose ist kann man in der Bibel nachlesen. Wo schon ganz am Anfang der Menschheitsgeschichte Kain seinen Bruder Abel erschlägt. Weil Gott nur Abel's Opfer angenommen und das von Kain ignoriert hat. Kain wollte dem Vater gefallen, seine Aufmerksamkeit, seine Liebe, wie alle Kinder, hat sie aber nicht bekommen. Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz in den Beziehungen der Menschen: Liebe erzeugt Liebe. Und verweigerte, vorenthaltene, nicht gegebene Liebe reißt eine Wunde in die Seele der Menschen die sehr schwer zu heilen ist. Die Schriftstellerin Maria Beig hat das Schreiben als Heilmittel entdeckt. Mit 58 hat sie angefangen zu schreiben, in ihrem 15. Buch ihre Lebenserinnerungen beschrieben. Nun kann nicht jeder Mensch Schriftsteller werden. Aber wie können Menschen, denen es in der Kindheit an Liebe gefehlt hat diese Wunde schließen, sie so vernarben lassen, dass sie sie nicht mehr plagt? Vielleicht wenn sie versuchen herauszufinden was sie können, wer sie sind, wie wertvoll sie sind und wie viele Menschen sie heute für liebenswert halten oder lieben. Vielleicht durch viele kleine Zuwendungen, durch einzelne Liebesbeweise, ungezählte Liebeszeichen derer die geliebt wurden und werden. Vielleicht durch eine Seelsorgerin oder einen Therapeuten, wenn die als Kind zu wenig geliebten oder ihr Umfeld es nicht schaffen dass sie sich angenommen fühlen. Vielleicht durch einen Glauben der ihnen spürbar vermittelt dass Gott jeden Menschen liebt. Und bei ihm wohl die grenzenlose Liebe zu finden ist, die Menschen leider nicht immer, allen und überall geben können. Und vielleicht durch die eine große Liebe eines Menschen der um die Wunde des Anderen weiß und ihn mit dieser Wunde liebt. Und sie so heilen hilft...

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