Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Kind, das sich in der Dunkelheit ängstigte rief ins Nebenzimmer „Tante, sprich doch zu mir, ich fürchte mich!" „Aber was hast du davon, du siehst mich doch gar nicht!" Darauf das Kind „Wenn jemand spricht wird es heller!" Dieses Gespräch von Zimmer zu Zimmer hat Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse beschrieben. Es passt gut in den dunklen Dezember. Ich denke der Advent in unseren Breitengraden hat seine Intensität auch wegen der Dunkelheit dieser Tage. Dunkelheit wirft einen auf einen selbst zurück. Dunkelheit macht auch Angst, nicht nur Kindern und manchen legt sie sich auch über die Seele. Therapeuten und Seelsorger sprechen von saisonaler Depression im Dezember und da können Worte tatsächlich sein wie Licht. Aber keine schnell daher gesagten Worte wie „wie geht's, alles klar, man sieht sich", sondern Worte, die aus der Zeit geboren sind. Zeit, die ich mir für einen Menschen genommen habe. Worte, die aus dem Hören kommen. Wenn ich antworte auf die Worte eines Menschen oder auf sein Schweigen. Einsamen Menschen können Worte Geborgenheit sein. Hörbare Lebendigkeit, Leben. Fremden Menschen können Worte Beheimatung sein, Gastfreundschaft, Geborgenheit. Ängstlichen Menschen Beruhigung. Und traurigen Menschen eben Licht, Licht in das Dunkel ihrer Seele und Wärme in ihren inneren Lebensraum. Nicht umsonst sagte der Mann aus Nazareth zu den Seinen: „Ihr seid das Licht der Welt!" Darum stellt es nicht unter den Scheffel. Sondern leuchtet, leuchtet den Menschen in die Herzen mit Euren Worten und Euren Taten. Und der Dichter Georg Trakl hat das Licht, das Menschen einander sein können einmal  wunderbar in Worte gefasst: In seinem Gedicht „Ein Winterabend" schreibt er: „Wenn der Schnee ans Fenster fällt, lang die Abendglocke läutet, vielen ist der Tisch bereitet und das Haus ist wohl bestellt. Mancher auf der Wanderschaft kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden aus der Erde kühlem Saft. Wanderer, tritt still herein, Schmerz versteinerte die Schwelle, da erglänzt in reiner Helle auf dem Tische Brot und Wein."               

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