Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Mama, was wünscht Du dir eigentlich zu Weihnachten?", fragte mich meine Tochter gestern. Was ich mir wünsche? Darüber habe ich mir nun wirklich noch keine Gedanken gemacht!
Seit Tagen bin ich im Internet auf der Suche nach den Weihnachtswünschen meiner Kinder - mein dreijähriger Sohn wünscht sich einen Stofftier-Kraken. Und meine Tochter möchte genau die gleiche Handtasche wie ich sie habe, wo auch immer ich die jetzt noch herbekommen soll. Über meine eigenen Wünsche habe ich mir da nun wirklich noch keine Gedanken gemacht. Und wenn ich jetzt überlege, fällt mir auch wenig ein. Natürlich freue ich mich über einen Krimi, einen schönen Pullover oder Schal, aber so sehnliche Wünsche wie meine Kinder habe ich nicht.
Obwohl...
Letztens bin ich in einer Zeitung über einen Artikel gestolpert mit der Überschrift: „Was wäre, wenn die Welt ein Dorf wäre?" Und dann wurde aufgezählt, wie das aussähe: das Dorf, das die gesamte Weltbevölkerung repräsentiert:

Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wäre, dann hätten 6 Bewohner mehr als fünfmal soviel Geld wie alle anderen zusammen. Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wäre, dann lebten 80 in armseligen Hütten am Rande des Dorfes; 70 könnten nicht lesen, mehr als die Hälfte wäre unterernährt und 28 würden verfolgt wegen ihres Glaubens.
Was ich mir zu Weihnachten wünsche? Dass das Dorf mit den 100 Einwohnern anders aussähe. Dass die Welt gerechter wäre, dass alle Menschen genug zu essen hätten, eine Schule besuchen, ihren Glauben frei leben könnten.
Das ist ein naiver Wunsch, sagen Sie? Unrealistisch, unmöglich, eine Utopie? Vielleicht! Genauso utopisch wie die Botschaft vom Sohn Gottes, der zu uns auf die Welt kommt - nicht als machtvoller Herrscher, sondern als kleines Kind in einem Stall in einem unbedeutenden Dorf namens Bethlehem als Sohn eines armen, unverheirateten Paares.
Gott hat uns zu Weihnachten eine Utopie geschenkt - eine Utopie, die die Welt verändert hat. Er hat sie uns geschenkt, damit wir sehen können, dass Wünsche, Träume und Utopien wahr werden können - nicht erst im Himmelreich, sondern ein kleines bisschen schon jetzt. Wie? Wenn wir daran glauben und etwas dafür tun. Durch eine Spende für Brot für die Welt an Heilig Abend, durch einen warmen Becher Kaffee für einen Obdachlosen in der Fußgängerzone, durch ein lautes „Nein", wenn Ausländer angefeindet werden, durch ein freundliches Wort für einen einsamen Menschen.
Was ich mir zu Weihnachten wünsche? Dass wir morgen damit anfangen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9569
weiterlesen...