Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Nie habe ich STILLE so intensiv empfunden, wie einmal in einer Gruppe von 20 Kindergartenkindern. Als Mutter durfte ich die Kinder im Waldkindergarten begleiten.
Die kleinen Kerle mit ihren Buddelhosen und Rucksäcken waren eine lustige Gesellschaft. Wirklich beeindruckt aber hat mich ihre Ruhe.
Ich kannte das ganz anders. Ohrenbetäubender Lärm im Kindergarten. Mit 85 gemessenen Dezibel manchmal hart an der Grenze zum gesetzlich vorgeschriebenen Ohrenschützer. Geschreie und Getobe und viel zu wenig Raum.
Im Waldkindergarten aber ist alles ganz groß und weit. Gespielt wird unter hohen Bäumen und unter freiem Himmel. Kein Haus, keine Legos, keine Musikkassetten. Dafür aber Vogelgezwitscher. Und rauschender Wind in den Fichten. Klappern von Steinen, Platschen vom Tümpel, Matschgeräusche aus der Wildschweinsuhle, Prasseln von Regentropfen auf der ausgespannten Plane.
An dem Morgen begriff ich, was Stille wirklich ist. Keine völlige Abwesenheit von Geräuschen, sondern eher so etwas wie ein Klangraum, angefüllt von leisen, wohltuenden und dabei stetigen Geräuschen.
In der Bibel gibt es einen Psalm, der sagt, so eine Erfahrung von Stille ist ein Gottesgeschenk.
Ein Satz in diesem kurzen Gebet heißt:
"Meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter; wie ein gestilltes Kind, so ist meine Seele in mir." (Ps 131)
Damals, morgens im Waldkindergarten, bin ich so einer Stille begegnet. Sie hatte für mich wirklich etwas Mütterliches, Nährendes. Wie gut, dass Gott neben all den vielen Worten, die wir für ihn finden, auch das ist, - nährende, mütterliche Stille.
Akustikforscher sagen, dass Stille unterhalb von 40 Dezibel beginnt und nicht, wie man meinen könnte, bei Null Dezibel. So eine Stille würden wir gar nicht aushalten. Wir kämen uns isoliert vor, wie abgeschnitten vom Leben.
An diesem Morgen im Wald mit den Kindern, habe ich in der Stille gehört, wie es um mich herum lebt.. Es war wie in stilles Konzert von Kinderstimmen, Vogelgesang und Blätterrauschen. Und alle Geräusche, die ich selbst verursachte beim Laufen, Berühren, Sprechen, waren eine Stimme in diesem großen Konzert.
Auch die Kinder müssen das gespürt haben. Auch sie waren auf angenehme Weise ruhig. Nicht, dass sie geschwiegen hätten. Sie hatten ja alle viel zu tun mit klettern, bauen, matschen oder schaukeln. Aber der Lärmpegel war einfach ein anderer. Nicht nur der äußere, auch der innere Lärmpegel war bei uns allen auf einem ruhigen, angenehmen Stand. Vielleicht finden auch Sie an diesem Wochenende irgendwann so eine stille Stunde, die Ihrer Seele gut tut!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=947
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