Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wer seine Kinder liebt, der lobt sie. Denn gelobt zu werden, tut Kindern gut. Ein Lob kann beflügeln, Mut machen, schlummernde Kräfte wachrufen. Loben hat die fantastische Fähigkeit: es zieht nach oben.
Darum hat das Loben als Erziehungsmittel ja auch so einen guten Ruf.
Aber es muss ein echtes Lob sein, sonst bewirkt es überhaupt nichts. Höchstens das Gegenteil.
So wie bei uns kürzlich mittags in der Küche. Das Essen ist gleich fertig. Ich stehe am Herd zwischen Töpfen und Pfannen, wende die Schnitzel und muss gleich das Kartoffelwasser abgießen. Da kommt meine Tochter mit einem selbst gemalten Bild, von dem sie findet, dass es ihr besonders gut gelungen sei. " Ja, toll" sage ich, " das hast du prima gemacht!"
Aber meine Tochter fühlt sich überhaupt nicht erbaut durch mein Lob. Sie ist beleidigt. "Mensch Mama, du hast ja gar nicht hingeschaut!" Sie hat gleich gemerkt, dass ich bloß meine Pflicht erfüllt habe. Weil ich ja weiß: eine gute Mutter lobt ihr Kind.
Mit solchen vermeintlich lobenden Worten kann man ein Kind richtiggehend abspeisen. Doch von so einem Lob wird niemand satt. So ein Lob beflügelt auch nicht. Es macht viel eher misstrauisch und mit der tatsächlichen Leistung hat es überhaupt nichts zu tun.
Für ein richtiges Lob muss man sich Zeit nehmen. Und wirklich genau hinschauen. Dann wird man auch merken, wenn Kinder mehr brauchen als Lob.
Kinder, die mit einem Krikelkrakelbild kommen, wollen und sollen gelobt werden, keine Frage. Ab einem gewissen Alter möchten sie aber auch gezeigt bekommen, wie sie ihr Bild verbessern können- Und auch das erfordert von den Erwachsenen Mühe und Zeit. Und ein feines Fingerspitzengefühl im Umgang mit hilfreicher Kritik.
Helfende Kritik baut auch auf. Kann auch wichtig sein. Manche Eltern wollen ihren Kindern das ersparen, vielleicht, weil sie glauben, die Kinder würden sich dann nicht geliebt fühlen. Aber ich glaube, Kritik muss nicht lieblos sein. Ich kann jemanden ja auch so kritisieren, dass er merkt, dass ich es gut mit ihm meine. Es macht einen wichtigen Unterschied, ob einem Kind oder einem Jugendlichen die Wahrheit wie einen nassen Lappen um die Ohren schlage, oder ob ich sie ihm hinhalte wie einen warmen Mantel.
Aufmerksam zu loben und liebevoll zu kritisieren - zur richtigen Zeit, richtig dosiert, mit den richtigen Worten - das ist Kunst. Und in beidem kann sich meine Liebe und Zuneigung zeigen
https://www.kirche-im-swr.de/?m=944
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