Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Immer mehr Politiker schmeißen den Bettel hin. Ich finde das richtig auffallend in letzter Zeit, und die Medien berichten ja auch ausgiebig darüber.
Den Bettel hinwerfen, das gibt's aber nicht nur in der Politik. Dass Menschen hinschmeißen, passiert täglich. Sie hängen ihren Job an den Nagel, sie kündigen ihre Vereinsmitgliedschaft oder sie brechen Beziehungen zu anderen Menschen ab. Einige schmeißen sogar ihr ganzes Leben hin. Irgendwie scheint für sie alle die Rechnung nicht mehr zu stimmen. Die Kosten sind in ihren Augen höher als der Nutzen.
Nur, wer macht's dann? Wer regiert dann das Land? Wer macht dann den Kassenwart im Gesangsverein? Wer ist dann ein Vater für seine Kinder? Vielleicht ist das der springende Punkt. Wenn ich hinschmeiße, dann denke ich, dass es auf mich gar nicht so sehr ankommt. Ich bin der Meinung, dass andere meine Rolle genauso gut übernehmen können. Oder ich denke vielleicht sogar, dass es gar nicht auffällt, wenn ich weg bin.
Neulich habe ich einen Satz des Kirchenvaters Augustin gelesen, der solchen Gedanken heftig widerspricht. Augustin hat gesagt: „Ich bin berufen, etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist. Ich habe einen Platz in Gottes Plan, auf Gottes Erde, den keiner sonst hat. Ob ich reich bin oder arm, verachtet oder geehrt bei den Menschen, Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen".
Kein Mensch ist ersetzbar, sagt Augustin. Und auch, wenn es mir gar nicht bewusst ist, trage ich an meinem Platz im Leben meinen eigenen, ganz unverwechselbaren Teil bei. Darauf, dass mir das die anderen sagen, kann ich manchmal lange warten. Deshalb finde ich es wichtig, dass ich mir das von Gott sagen lasse. Für ihn bin ich nicht irgendein austauschbares Rädchen. Er sieht mich als einen Menschen mit ganz eigenen Stärken, der einbringt, was kein anderer einbringen kann.
Bevor man den Bettel hinschmeißt, sollte man deshalb schauen, ob sich die Situation, mit der man unzufrieden ist, nicht auch anders ändern lässt. Man kann zum Beispiel ganz bewusst nach Entlastungsmöglichkeiten Ausschau halten. Manchmal haben kleine praktische Veränderungen sehr positive Folgen. Oder man sucht sich einen Menschen, mit dem über die Sache reden kann. Einfach mal Dampf ablassen und sich die Sorgen von der Seele reden, hilft schon eine Menge.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9405
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