Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Freiheit ist, wenn ich das tue, was ich für richtig halte." Das sagt der Philosoph Peter Bieri in eine seiner Bücher. Wenn ein Mensch das tut, wovon er überzeugt ist, dann ist er mit mir sich im Reinen. Das ist Freiheit.
Eigentlich also gar nicht so schwer, frei zu sein. Nur: Leider tun Menschen nicht immer das, was sie für richtig halten. Im Gegenteil: Oft klaffen unsere Überzeugungen und das, was wir sagen oder tun auseinander. Wenn das geschieht, sagt Peter Bieri, dann sind wir unfrei.
In der Bibel steht die Geschichte von einem Menschen, der war unfrei, der tat auch das, was er eigentlich nicht für richtig hielt (Lukas 19,1-10). Er hieß Zachäus und war Zöllner. Damals in Palästina verlangte die römische Besatzungsmacht eine feste jährliche Abgabe von den Zolleintreibern. Aber wie viel Geld die Zöllner den Menschen abknöpften, dafür gab es keine Vorschriften. Die Zollbeamten konnten verlangen, was sie wollten. - Klar, dass sich manche die Taschen gefüllt haben, und so einer war Zachäus. Er hat genau gewusst, dass das, was er tat, nicht richtig war. Trotzdem hat er es getan. Total unfrei, würde Peter Bieri wohl sagen.
Warum ist das so? Vielleicht hatte sich Zachäus an das viele Geld gewöhnt. Oder er hat gedacht: „Die Leute haben können mich sowieso nicht leiden. Für die bin ich eh der unehrliche Zöllner". Vielleicht hat ihm die Betrügerei auch gar nichts mehr ausgemacht. Wahrscheinlich hat er schon gar nicht mehr gemerkt, wie unfrei er eigentlich lebt.
Die Geschichte ändert sich als Jesus in die Stadt kommt. Ausgerechnet bei Zachäus meldet er sich zum Essen an. Und dann geschieht mit dem Zöllner etwas Seltsames. Ohne dass Jesus es von ihm fordert, fällt er eine Entscheidung: „Die Hälfte von dem was ich besitze", sagt er zu Jesus, „gebe ich den Armen und die, die ich betrogen habe, bekommen das vierfache zurück". Er tut das Richtige und ich finde, man kann die Freiheit fast spüren, der in diesem Augenblick in das Haus des Zöllners einkehrt.
Ich denke, Jesus hat Zachäus dabei geholfen, frei zu werden: Indem er ihn besucht hat, hat er ihm gezeigt: „Du hast viel falsch gemacht. Aber du bist darauf nicht festgelegt. Ich traue dir zu, dass du das tun kannst, was du eigentlich für richtig hältst".
Ich glaube, dass Jesus das auch heute Menschen zutraut. Das zu wissen, kann schon ein erster Schritt in die Freiheit sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9404
weiterlesen...