Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Tiere müssen einander dauernd zeigen, wer der Stärkere ist. Aber muss das auch unter Menschen so sein?
Vor einigen Wochen haben meine Kinder zwei Meerschweinchen bekommen. Das erste, was die süßen Fellknäuel untereinander ausgemacht haben war, wer der Chef ist im Meerschweinchenkäfig. Dominanzverhalten nennt man das - scheinbar geht es im Tierreich nicht ohne.
Dominanzverhalten gibt es leider nicht nur unter Meerschweinchen, sondern auch unter Menschen. Allerdings geht's da meistens etwas subtiler zu. Mein Arbeitskollege wird mich in der Regel nicht durch Büro jagen. Aber er fällt mir vielleicht ins Wort während ich etwas Wichtiges sagen will, oder er antwortet nicht, wenn ich ihn etwas frage. Das Ziel ist das gleiche wie bei den Meerschweinchen: Zeigen wer der Chef ist und wer nicht.
Menschen und Tiere haben unbestreitbar viel gemeinsam. Aber wie man seine Stärke zeigt - das kann bei den Menschen anders aussehen als bei den Tieren. Oder könnte es jedenfalls.
„Ist Nächstenliebe Schwäche?" habe ich mal meine Schüler in der Oberstufe gefragt, und alle waren sich einig: Nein, dem anderen fair und freundlich begegnen ist kein Zeichen von Schwäche sondern ganz im Gegenteil: Wenn einer das kann - nicht nur auf sich und seinen Vorteil schauen, sondern auch auf die anderen - dann ist das ein Zeichen von Stärke. Und ich glaube, genau darin unterscheiden sich Menschen von Tieren.
So hat das anscheinend auch Jesus gesehen. Er hat nicht bestritten, dass es unter Menschen so etwas wie eine Rangordnung gibt, und das ist ja wohl auch so. Aber die Frage ist: Wie gehen wir damit um. Als seine Jünger wieder einmal damit beschäftigt waren, zu klären, wer unter ihnen der Chef ist, hat Jesus zu ihnen gesagt: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein" (Markus 10,44).
Das Beste Beispiel dafür ist übrigens Jesus selbst. Dominanzverhalten hat er nie nötig gehabt. Seine Größe hat sich darin gezeigt, dass er nicht sich, sondern die anderen im Blick hatte. Er hat versucht, ihnen zu helfen, sie zu fördern und weiterzubringen. Diese Größe konnten die Menschen in seiner Umgebung spüren.
Ein gutes Vorbild, finde ich. Und das Dominanzverhalten überlassen wir den Meerschweinchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9403
weiterlesen...