SWR1 3vor8

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31. Sonntag im Jahreskreis (C) 

Einen schönen guten Morgen, ich bin Pfarrer Michael Broch aus Leonberg. „Herr, die ganze Welt ist vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt." - Ist ja schon gut. Ich weiß, dass ich vor Gottes Größe  wie ein Nichts bin. So kann ich denken. Aber ich lese weiter, was im Alten Testament, im Buch der Weisheit steht und heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist: „Du hast mit allen Erbarmen ... du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast ... du Freund des Lebens."
Jetzt bin ich dabei. Gottes Größe besteht demnach in Erbarmen und Liebe - und zwar gegenüber „allen". Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: dieses gegenüber „allen". Wie unterschiedlich, ja entgegengesetzt sind die Lebenseinstellungen und die Glaubensvorstellungen von diesen „allen". Kein Mensch kann das fassen.
Und „alle" dürfen vor Gott sein. Vor seinem Blick des Erbarmens und der Liebe können „alle" bestehen. So ist Gott!
Ich fühle mich beschämt, wenn ich darüber nachdenke: Mit welchen Wichtigkeiten und Rechthabereien haben Kirchen und Religionen so oft die Menschen überfordert und einander bekämpft. Daran denke ich als Katholik gerade heute am Reformationstag. Wie viel Schlimmes haben die Kirchen im Lauf der Geschichte einander angetan. Und das auch noch im Namen und im Angesicht des Gottes, von dem es doch heißt, dass „alle" vor ihm sein dürfen, dass sein Erbarmen und seine Liebe „allen" gilt. Wenn Gott so großherzig ist, dann ist es eigentlich unverständlich, wieso Christen bis heute so viel Energie und Zeit verschwenden, um ihre Unterschiede zu rechtfertigen. Im Namen und im Angesicht des Gottes, vor dem „alle" sein dürfen, müssten sich Christen um etwas ganz anderes bemühen: um ein Herz, das weit genug ist; um eine Phantasie, die offen genug ist; und um eine Liebe, die brennend genug ist! ... und wozu das? Die Christen könnte das noch mehr geschwisterlich zusammenführen als bisher. Und andere könnte dieses Zeugnis wieder aufhorchen lassen, wenn sie von dem Gott reden, vor dem „alle" sein dürfen. 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

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