SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Heute ist Volkstrauertag. Er will an die zahllosen Menschen erinnern, die Opfer von Unrecht und Gewalt geworden sind, vor allem an die Toten der beiden Weltkriege.  Ich möchte heute an einen Mann erinnern, um den vor  knapp 50 Jahren die gesamte zivilisierte Welt trauerte: an Dag Hammarskjöld, den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen. Am 18. September 1961 geht die Nachricht um den Erdball: Das Flugzeug der UN, mit Dag Hammarskjöld und 15 weiteren Menschen an Bord, ist  in der Provinz Katanga in Afrika  kurz vor der Landung   abgestürzt.  Man fand das Flugzeug ausgebrannt und die Toten ringsum verstreut.   Hammarskjöld  selbst lag,  äußerlich  unversehrt, etwas abseits im Gras, fast wie schlafend.  Sein Rückgrat war   mehrfach gebrochen. Ein einziger Passagier überlebte,  5 Tage lang. Was er aussagte, wurde lange geheim gehalten, wie überhaupt die Aufklärung des Absturzes deutlich verzögert und behindert  wurde, Heute steht fest, dass Hammarskjöld einem Attentat zum Opfer fiel, bei dem verschiedene Interessenten ihre schmutzigen Hände im Spiel hatten. Die Erschütterung über diesen Tod war weltweit. In den Medien erschienen Schlagzeilen und Nachrufe, die das außerordentliche Ansehen dieses  Mannes   sichtbar machten. Der Schwede Dag Hammarskjöld, Generalsekretär der UNO von 1953 bis 1961, war nach außen hin ein disziplinierter und zurückhaltender Mensch. Täglich bewältigte er ein ungeheures Arbeitspensum und brauchte nur wenige Stunden Schlaf. Anfängliche Skeptiker setzte er  bald in Staunen:  Als z.B. die Suez-Krise ausbrach, verhinderte er einen drohenden Krieg, indem er erstmals eine eigene UNO-Truppe, die so genannten Blauhelm-Soldaten, einsetzte. Zwei Jahre zuvor gelang ihm ein besonderes Meisterstück. Um  amerikanische Gefangene aus Rot- China frei zu bekommen, reiste er persönlich nach Peking. Anstatt zu protestieren oder zu drohen, führte er kultivierte, feinsinnige Gespräche mit Tschou En-Lai. Einige Monate später schickte ihm der kommunistische Ministerpräsident ein Telegramm mit der Mitteilung, die Gefangenen würden vorzeitig frei gelassen, um, wie er betonte, "mit Dag Hammarskjöld die Freundschaft aufrecht zu erhalten." Was war das Geheimnis dieses Mannes, der nicht nur außergewöhnlich   in der Ausübung seines Amtes war, sondern  auch eine ganz eigene   persönliche Ausstrahlung besaß? In seinem Nachlass fand sich ein Manuskript, dessen Veröffentlichung eine Sensation darstellte:  tagebuchartige Aufzeichnungen,  die einen bis dahin unbekannten Hammarskjöld zeigen: einen tief religiösen Menschen, der unaufhörlich mit Gott im Gespräch war und  daraus Inspiration und Kraft  schöpfte.  

(Musik

In den "Sonntagsgedanken" geht es um Dag Hammarskjöld, den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, der  1961 durch einen mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben kam. Das Ziel, dem er  - gemäß der UNO-Charta -  dienen wollte, war das allmähliche Zusammenwachsen aller Nationen zu einer großen Menschheitsfamilie. Denn er  war überzeugt, "dass alle Menschen gemäß der radikalsten Auslegung des Evangeliums als Kinder Gottes gleich sind..."   Wie schwer dieser Grundsatz  zu verwirklichen war, das erlebte Hammarskjöld immer wieder in aller Härte.  Wirtschafts- und Machtinteressen, Angst vor dem Fremden, auch Prestigedenken  führen  immer wieder  dazu, dass zwischen Gruppen und Nationen Mauern errichtet und  Angriffe geführt werden.  Diese "Steinzeitmentalität", wie der Generalsekretär es nannte, ist nur in kleinen,  mühsamen Schritten zu überwinden. Und doch, so war er überzeugt,  gibt es nur diesen "Mittelweg, (...), auf dem wir uns langsam, aber sicher (in) Richtung einer Weltgemeinschaft bewegen, die für unsere Zivilisation die einzige Alternative zur Selbstzerstörung ist." Mir scheint, genau dies ist heute wichtig, um drängende Probleme nicht kurzatmig, sondern aus einer größeren Sicht heraus anzugehen: aus der Perspektive  einer  echten Weltgemeinschaft. In Hammarskjölds letzten Lebensjahren zogen sich Verleumdungen und Angriffe  um ihn zu wie ein tödliches Netz.  Er sah sich dabei in der Nachfolge Jesu, des Gekreuzigten. Schon früh ahnte  Hammarskjöld   seinen Tod voraus und deutete  ihn als die  Konsequenz seines Lebens.  Auf seine Initiative hin wurde  im Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York ein Meditationsraum eingerichtet.  In der  Mitte des fast leeren Raumes steht ein mächtiger Steinquader aus schwedischem Eisenerz. Nur von oben fällt Licht ein und trifft auf die polierte Oberfläche des Blocks, von wo aus es in den Raum gestreut wird. Der Generalsekretär selbst erhielt die Eröffnungsansprache. Diesen Stein    "können (wir) als einen Altar ansehen, leer, nicht weil da  kein Gott ist, ...sondern weil er jener Gottheit gewidmet ist, welche die Menschen unter vielerlei Namen und Formen verehren."  Zu dieser großzügigen Sicht passt das schöne Wort  des arabischen Dichters Rumi, das Hammarskjöld in seinem Tagebuch zitiert:  "Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott."  Wie Hammarskjöld dachten und denken  - Gott sei Dank -  viele Menschen und versuchen unsere  Welt ein Stück weiter zu bringen in Richtung Verständigung und Frieden. Manche bezahlen mit ihrem Leben dafür. Hammarskjöld gab trotz aller Rückschläge nicht auf. Er hatte die Erfahrung gemacht: "Wer sich Gottes Hand überlassen hat, der steht den Menschen frei gegenüber (...). Und er mahnte sich selbst, "dieses einzig Bleibende" nicht zu vergessen: Das 'Unerhörte' - in Gottes Hand zu sein."

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