Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich hatte mir solche Mühe gegeben, die Sache gut zu machen. Ich war motiviert, weil ich gesehen hatte, dass sie wichtig und sinnvoll war. Und ich hab mir zugetraut, sie gut zu machen. Aber es kam anders. Als erstes fiel die Kollegin aus, die mir wichtige Informationen geben sollte. Dann war auf einmal nicht mehr ganz klar, ob das Projekt nicht besser an ein anderes angedockt werden sollte. Ein Kompromiss kam zustande, und ich musste wieder von vorn anfangen. Und als ich mich schließlich, schon ein bisschen demoralisiert, doch soweit durchgekämpft hatte, dass ein Abschluss in Sicht war, stürzte das Computerprogramm ab und die bisherige Arbeit war gelöscht. Kann sein, dass ich oder sonst jemand was falsch gemacht hatte, aber vielleicht lag es auch an der Technik. Es ließ sich nicht mehr rekonstruieren, und das hätte die Sache ja auch nicht gerettet. Denn inzwischen war der Termin nicht mehr zu halten. Und weil das ganze Projekt auf ein bestimmtes Ereignis hin ausgerichtet war, hatte es keinen Sinn, nochmals von vorn anzufangen. Es war zu spät. Zum Glück passiert so was nicht oft, aber dieses eine Mal werde ich auch nicht vergessen. Ich habe es als Misserfolg erlebt, obwohl ich für die meisten Widrigkeiten, die zum Scheitern geführt haben, gar nichts konnte. Es schien so, wie wenn es einfach nicht hätte sein sollen. Jahre später habe ich ein Sprichwort gehört, das ich sofort mit dieser Erinnerung verbunden habe. Es heißt: Ernten kann auch der Tüchtigste nur im Herbst. Nicht dass ich gedacht hätte, ich sei die Tüchtigste, aber das mit dem Herbst hat mich sofort angesprochen. Nein, es ist nicht immer Herbst. Nicht immer Zeit zum Ernten. Sogar drei Viertel des Jahres sind eben nicht Herbst. Im Winter kann es zu warm sein, im Frühjahr kann die Baumblüte erfrieren, im Sommer ein Unwetter alles platt machen. Viel kann passieren bis zur Ernte im Herbst. Vieles, das wir nicht in der Hand haben, jedenfalls nicht unmittelbar. So ist das auch mit dem, was in meinem Leben geschieht. Ich muss alles tun, was ich tun kann - und zugleich wissen, dass ich Erfolg oder Niederlage, Gelingen oder Scheitern letztlich nicht in der Hand habe. Und vertrauen, dass Gott weiß, wann in meinem Leben Herbst sein wird und Früchte reifen. Ich vertraue gern, denn ich finde das so entlastend, dass ich nicht für alles, was geschieht oder nicht geschieht, verantwortlich bin. Das gibt mir die Kraft, die Verantwortung, die ich habe, auch wirklich zu übernehmen - und die Ernte dann aus der Hand zu geben.

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