Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der 29. September war einmal ein sehr wichtiger Tag. Mit dem Michaelistag war die Ernte zu Ende. Dann mussten die Bauern Pacht und Zins bezahlen. An Zins- und Pachtzahlungen erinnern einen heute die Banken nicht mehr nach der Ernte sondern zum Monatsende, wenn das Gehalt kommt. Aber Michaelistag steht immer noch im Kalender. Aber warum? Ich habe versucht, dieser Frage auf den Grund zu gehen.

Seinen Namen hat dieser Tag von dem Engel Michael. In der Bibel ist ein paar Mal von ihm die Rede. Er kommt vor in den Träumen frommer Gottesmänner. Danach hat Michael mit einem Heer von Engeln die Welt gerettet, als der Teufel alles, was lebt, zerstören wollte. Deshalb wird er auf mittelalterlichen Bildern mit einem Schwert dargestellt.

Ein Bote Gottes, der Welt und Menschen gegen Tod und Teufel verteidigt. Gott selbst also schickt einen, der mich verteidigt, wenn ich selbst es nicht kann. Ganz bildhaft haben die Leute sich das früher vorgestellt. In einem alten Buch gibt es ein Bild, da verteidigt Michael die Seele einer Frau, die der Teufel schon in seinen Krallen hat[1]. Wer weiß, was mit ihr los war, was sie getan hat oder versäumt. Wer weiß, wie man mit ihr umgegangen ist, dass sie so verzweifelt ist. Sie kann nicht bestehen mit dem, was aus ihr geworden ist. Nicht vor dem eigenen Urteil und womöglich auch nicht vor dem Urteil Gottes. Aber Michael, der Engel, der Bote Gottes, verteidigt sie. Er reißt sie dem Teufel aus den Klauen, damit sie in Gottes Welt bleiben kann. Das sind alles Bilder, natürlich, da haben Maler versucht darzustellen, was man kaum ausdrücken kann.

Im Grunde ist das nichts anderes, als das, was ich in der Bibel lese: Der Tod mag kommen, das Leben mag mir alle Mühe machen, es mag auch ganze Heere von Engeln und Teufeln geben, von denen ich nichts weiß, und Mächte, die man Zufall nennt, oder das blinde Schicksal. Es mögen Katastrophen über die Welt kommen, heute oder morgen. Es mag auch in der Höhe oder in der Tiefe Gestirne geben, die meinen Schritt lenken und meinen Weg vorzeichnen. Aber sie alle können mich nicht trennen von der Liebe Gottes, die ich in Christus finde (Rö 8, 38f).

Daran will ich mich gern am heutigen Michaelistag erinnern: Gott selbst schickt seinen Engel, damit er mich verteidigt, weil ich sonst mit meinem Leben nicht bestehen könnte. Das gilt nicht nur für die, die Michael heißen oder Michaela. Aber die können einen mit ihren Vornamen daran erinnern, auch wenn nicht Michaelistag ist. Schön, dass es ziemlich viele gibt, die so heißen.

 


[1] Z.B. Stundenbuch "Grandes Heures de Rohan" (1430), Paris

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9118
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