Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich habe im Urlaub meinen Augen nicht getraut. Bereits in der vorletzten Augustwoche standen sie in den Regalen von manchen Supermarktketten. Lebkuchenherzen, Gewürzspekulatius und Dominosteine.
Ok von den Temperaturen war das dieses Jahr ja eigentlich ganz passend, aber wenn es draußen richtig heiß gewesen wäre? Lebkuchen im August? Das sind noch mehr als vier Monate bis Weihnachten. Gibt es sie jetzt dann bald das ganze Jahr über? Am besten in einem Regal mit bunten Ostereiern und Schokohasen?
Andererseits - Warum stören mich eigentlich Lebkuchen im August?
Wirft man einen Blick auf die Geschichte der Lebkuchen, stellt man fest, dass es Lebkuchen schon bei den Römern und sogar noch früher gegeben hat. Auch hat es sie teilweise das ganze Jahr über gegeben. Vor allem dort, wo man gut an die Gewürze herangekommen ist - also z.B. in großen Handelsstädten. Wegen ihrer Gewürze galten sie als gesund, heilend und verdauungsfördernd. Und bevor es eine richtige Lebkuchenzunft gab, wurden sie vor allem in Klöstern gebacken. Lebkuchen zählten damals nämlich zu den Lebensmitteln, die während der Fastenzeiten gegessen werden durften. Also vor Ostern und im Advent - der Advent war früher ja auch eine richtige Fastenzeit. Vermutlich haben sie deshalb heute noch diese starke Verbindung jedenfalls mit dem Advent. Und heute schmeckt der Advent eben nach Lebkuchen.
Als Kind war es für mich immer etwas Besonderes, wenn es am ersten Advent die ersten selbst gebackenen Plätzchen und Lebkuchen gab. Für mich ein sicheres Zeichen: Bald wird es Weihnachten.
Genau dieses Besondere - diesen Geschmack von Advent und Weihnachten - verlieren sie für mich, wenn man sie das ganze Jahr haben kann. Oder eben schon im August. Ich finde, dass solche Traditionen dadurch, dass man sie so sehr ausweitet, einfach an Reiz verlieren. Wenn man immer alles haben kann, dann gibt es nichts Besonderes mehr.
Das geht mir auch mit Obst und Gemüse so. Ich freue mich jedes Jahr darauf, dass es wieder Erdbeeren gibt oder Spargel. Wenn es die aber jederzeit gibt, verlieren sie eben das Besondere.
Ich habe im Internet ein Forum entdeckt, in dem auch über Lebkuchen im August diskutiert worden ist. Die Befürworter sagen, dass sie jetzt am besten schmecken. Und dass jetzt schon so ein bisschen was von dem Weihnachtsfeeling aufkommt.
Lebkuchen alleine reichen mir nicht, um mich weihnachtlich zu fühlen. Dazu brauche ich mehr. Äußerlich und innerlich. Deshalb kann ich gut noch ein paar Monate auf Lebkuchen verzichten. Freue mich dann aber sehr darauf, den ersten wirklich zu essen. Denn so schmeckt Weihnachten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9044
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