Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Papa ich kann stehen!" Mit diesem Blick schaut mich unser Sohn gerade ständig an, weil er sich überall und an jedem hochzieht. Im nächsten Augenblick dreht er den Kopf, findet irgendwas anderes spannend und bumms schon fällt er um.
Glücklicherweise passiert den Kindern selten wirklich was Schlimmes und schon kurze Zeit später geht es wieder von vorne los. Die Welt wird weiter untersucht und schnell ist der kleine Zwischenfall vergessen. Beeindruckend.
So einen Sturz schnell wegzustecken und gleich wieder weiterzumachen, wünsche ich mir manchmal auch für mein Leben. Wenn ich stolpere und hinfalle, weil ich unachtsam war oder zuviel gewollt habe. Wenn ich mir den Kopf stoße, dann meist richtig. Ein bisschen pusten oder in den Arm nehmen reicht da oft nicht mehr aus.
Inzwischen habe ich das Gefühl, dass das wieder Aufstehen im Laufe eines Lebens immer schwieriger wird. Je öfter man das mitgemacht hat, desto schwerer fällt es wieder aufzustehen. Und einfach an dem Punkt weiterzumachen, wo man vorher war geht sowieso nicht. Aber aufstehen und weitergehen - wo anders oder was anderes neu anfangen - das ist wichtig. Und schwer. Denn manchmal gibt das eben nicht nur Beulen, sondern richtige Verletzungen. Verletzungen, die vielleicht nie mehr vollständig heilen, so dass sich Menschen gar nicht mehr aufrichten können. So, wie die Frau, die sich schon seit 18 Jahren nicht mehr aufrichten kann (Lukas 13,10-17). In der Bibel wird beschrieben, dass sie gekrümmt ist. Sie läuft gebückt. Es wird nicht erzählt, was ihr passiert ist. Aber Jesus legt ihr die Hände auf und heilt sie.
Endlich kann sie sich wieder aufrichten. Wieder aufrecht am Leben teilnehmen. Sie kann ihren Mitmenschen wieder in die Augen sehen.
Ich glaube, dass es der Frau sehr gut getan hat, dass sich Jesus ihr zugewandt hat. Er hat sie nicht einfach links liegen lassen. Er hat genau hingesehen, hat ihr Nähe und Zuwendung geschenkt.
Nähe kann trösten. Zuwendung kann heilen. Beides zusammen kann aufrichten. Nähe und Zuwendung: So findet nicht nur unser kleiner Sohn Rückhalt und Trost, sich wieder aufzurappeln.
Wenn es mir nicht gut geht, hilft es mir auch, wenn mich jemand in den Arm nimmt. Und Verletzungen brauchen ihre Zeit, damit sie verheilen können.
Aber das funktioniert eben nur selten von alleine. Es muss jemandem geben, der mich - wie unseren Sohn - eben nicht einfach liegen lässt. Dem es nicht egal ist, was mit mir passiert. Für die Frau aus der Bibel war das Jesus. Er hat ihr die Kraft gegeben sich wieder aufzurichten und hat sie damit geheilt. Und wer heute mit offenen Augen durch die Welt läuft, kann das vielleicht auch für andere Menschen sein. In seinem Namen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9042
weiterlesen...