Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist eine Figur, die find ich schräg und faszinierend zugleich: Simeon der Stylit, ein sogenannter Säulenheiliger. Simeon hat vor ungefähr 1600 Jahren im heutigen Syrien gelebt. Er war wohl ein besonders radikales Exemplar von Gottsucher. Er wurde Mönch und tat sich im Kloster durch so unmenschliche Bußübungen hervor, dass er gebeten wurde das Kloster zu verlassen. Also ging er ins Gebirge, wo er in einen trockenen Brunnenschacht stieg um dort aufrecht stehend Gott zu loben. Nach fünf Tagen zogen ihn seine Mitbrüder wieder entsetzt ans Tageslicht. Da ließ er sich mit einer Kette an einen Felsen schmieden, damit er dort „Tag und Nacht mit den Augen des Glaubens und des Geistes jene Dinge betrachten könne, die über dem Himmel sind", so die Legende. Das zog Menschen an, die diesen verrückten Heiligen sehen wollten. Was ihn natürlich wieder in seiner Ruhe und Gottesschau störte. Dann hatte er die Idee auf eine Säule zu steigen. Zwanzig Meter über der Erde auf einer kleinen Plattform hinter einer kleinen Balustrade - um weg von den Leuten zu sein, endlich ungestört zu sein. Dreißig Jahre soll er dort gelebt haben, meist aufrecht stehend auf dieser Säule, daher sein Name Simeon der Stylit, das heißt der Säulenheilige. Aber auch da oben, zwanzig Meter hoch über den Menschen hatte er keine Ruhe. Sie kamen in Scharen und von weit. Nicht nur um diese unglaubliche Figur zu sehen, sondern auch um von seinen Erfahrungen zu hören und um sich von ihm beraten zu lassen. Er schlichtete Streit und jeder nahm seine Ratschläge oder Schiedssprüche an. Und die Moral von der Geschicht'? Verrückt ist nicht nur verrückt. Und wenn du Gott für dich allein haben willst, schickt er dir Menschen.

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