Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein älterer Herr sitzt auf dem Bootssteg und lässt die Füße ins Wasser baumeln. Auf einmal klingelt sein Handy. Einer seiner Angestellten will ihm die Zeichnungen noch mal zeigen, ehe sie rausgehen. Der Chef, mit den Füßen im Wasser, sagt: Schicken sie's her. Er hat den Laptop dabei. Während er noch telefoniert, kommt ein Boot vorbei, darin sitzt der andere. Der arbeitet beim Boot fahren. Beide finden's lustig. Ist wahrscheinlich netter, als bei 30Grad im Büro zu sitzen. Sieht auch irgendwie entspannt aus. Handy und Internet machen einem das Leben leichter, Das ist die Botschaft dieses Werbespots.
Aber vielleicht ist ja längst Feierabend - und die beiden schaffen immer noch? Vielleicht ist Samstag? Oder Sonntag? Mit Handy und Internet ist man immer und überall erreichbar. Ist das gut?
Manchmal ist es wichtig. Manchmal auch bequem. Vor allem für die anderen, die einen unterwegs mit ihren Fragen heimsuchen. Aber ganz oft ist es unnötig. Und vor allem: schädlich. Denn, haben die Hirnforscher herausgefunden, egal ob es eine Routinemitteilung ist oder was ganz Wichtiges, das Gehirn springt immer gleich an. Gerät immer sofort in Alarmzustand, wenn das Handy klingelt. Es gibt immer neue Reize, immer neu den Druck, sofort zu reagieren. Das schadet der Kreativität und der Konzentration. Ein Gehirn, das dauernd im Alarmzustand ist, verlernt das Denken. Im Alarmzustand kann man nur noch reagieren. Zum Denken braucht man Ruhe.
Andererseits: der Daueralarm ist wie eine Droge. Mit der Zeit geht es gar nicht mehr ohne. Die mobile Kommunikation macht süchtig. Es ist schön, dass man das Gefühl haben kann: ich bin nicht zu ersetzen. Man braucht mich - immer. Und überall.
Immer da und überall erreichbar: eigentlich kann das nur Gott. Vielleicht steckt hinter der Sucht nach dem Mobiltelefon auch das Bedürfnis, sich allmächtig zu fühlen und unersetzbar? Ich bin immer da. Und außer mir kann euch keiner helfen? Sogar Jesus hat sich ab und zu eine Auszeit genommen. Hat sich zurück gezogen und war für niemanden zu erreichen. Nur so kann man sich erholen und neue, frische Gedanken denken. Rekreation sagen wir heute dazu. Rekreation heißt, genau genommen: Neuschöpfung. Wer abschaltet und sich eine Auszeit nimmt, erneuert seinen Körper und seinen Geist.
Vielleicht fangen Sie jetzt im Urlaub damit an? Natürlich, für manches muss man erreichbar sein: Wenn die Kinder auch unterwegs sind, will man wissen, wie es ihnen geht. Für die alten Eltern zu Hause möchte man erreichbar sein. Aber alles andere kann warten. Vielleicht nehmen Sie einfach ein altes Handy mit in den Urlaub, mit einer zweiten privaten SIM-Karte? Wegen der Rekreation.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8802
weiterlesen...