SWR1 3vor8

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Heute mit Maria Meesters, Pastoralreferentin in Baden-Baden. Guten Morgen.

Eine Szene wie auf einem orientalischen Basar: auf der einen Seite der fromme, altersweise Mann Abraham, auf der andern Seite Gott. Sie verhandeln das Thema Begleitschaden, Kollateralschaden: also: darf man - in diesem Fall Gott - Unschuldige mit bestrafen, wenn man Schuldige treffen will? Es geht um die Stadt Sodom. Dort passiert soviel Böses, dass es zum Himmel schreit. Die Bibel erzählt mit menschlichen Bildern, dass Gott sich die Sache jetzt mal aus der Nähe ansehen will. Und da legt Abraham los: „Willst du mit den Bösen auch die Guten vernichten? Vielleicht gibt es 50 Gerechte in der Stadt. Willst du sie auch wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben, wegen der 50 Guten, die da leben? Das kannst du doch nicht tun, dann ginge es ja den Guten genauso wie den Bösen." Und Abraham setzt noch einen drauf: „Du, Gott, bist doch der Richter über die ganze Erde, willst ausgerechnet du dich etwa nicht an das Recht halten?" Das Argument scheint zu sitzen: „Wenn ich 50 Gute in Sodom finde, werde ich ihretwegen der Stadt vergeben", antwortet Gott. Aber Abraham feilscht weiter: 45, 40, 30, 20, bis auf 10 läßt Gott sich runterhandeln. Dann ist das Gespräch zu Ende, Gott lässt Feuer und Schwefel auf Sodom regnen. Vorher schickt er Engel in die Stadt, die bringen die paar Guten in Sicherheit, bevor alles vernichtet wird.

Mich erinnert das fatal an Ereignisse aus unserer jüngsten Geschichte und Gegenwart. An die Luftangriffe im Jugoslawienkrieg, bei denen ich dieses Wort „Kollateralschäden" zum 1. Mal bewusst gehört habe. An den Irakkrieg, Afghanistan, an Terror und Blockaden im Nahen Osten, auch an die zahllosen zivilen Opfer im Luftkrieg auf das Ruhrgebiet im 2. Weltkrieg. Schuldige treffen wollen, bedrohliche Ziele treffen wollen, vermutete Nester des Bösen austilgen wollen und dabei Unschuldige opfern - das ist ein so altes Menschheitsthema, dass die biblischen Autoren es vor 3000 Jahren schon in Gott finden.
Abrahams Feilschen mit Gott scheint mir ein Bild für das Ringen um dieses Problem. Sogar Gott erscheint hier als einer, der sich um diese Entscheidung müht bis zum Äußersten. Vielleicht wäre manches gewonnen, wenn unsere politische Willensbildung mehr auf ein solches Ringen drängen würde. Das ist mühevoll und risikoreich, da mache ich mir keine Illusionen. Aber wir Menschen haben schließlich keine Engel zu Gebote, um die Unschuldigen zu evakuieren.

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