Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der erste Tag der Sommerferien. Es gibt keinen Tag, der in meiner Erinnerung mit einem solchen Glücksgefühl verbunden ist wie der Beginn der ‚Großen Ferien'. Große Ferien - schon dieser Begriff klang so, wie wenn sie nie zu Ende gehen würden. Heute fangen sie an - herzlichen Glückwunsch allen, die's wieder einmal geschafft haben, die Ferien zu erreichen!
Meine Arbeit ist nicht nach Schuljahren getaktet,aber das Gefühl am ersten Urlaubstag ist immer noch ein bisschen wie damals. Und bis heute teile ich das Jahr ein in vor der Sommerpause und nach der Sommerpause. Bis es soweit ist, muss noch Manches unter Dach und Fach gebracht werden, und danach geht es auch gleich wieder richtig los mit Terminen und Fristen und Konferenzen.
Aber dazwischen - da steht die Zeit für eine Weile still. Da will ich mich treiben lassen, ohne Wecker, ohne Armbanduhr, ohne Terminkalender. Manchmal brauche ich eine Weile, bis ich runterschalten kann und das Karussell in meinem Kopf stillsteht.
Und manchmal kann es dann Momente geben, in denen geschieht etwas ganz Seltenes: ich komme ganz an in der Gegenwart. Ich bin konzentriert, ohne mich konzentrieren zu müssen, es geht von selbst, einfach so, ohne dass ich etwas dafür tun muss. Augenblicke, in denen ich das erlebe, bleiben mir auch in Erinnerung, obwohl ich sonstkein so gutes Gedächtnis habe. Dabei war es gar nichts Besonderes: Ich saß in einem kleinen Straßencafé, der Plastikstuhl wacklig und nicht sehr sauber, die Wirtin brachte den Kaffee, wortreich, aber in einem Dialekt, von dem ich kein Wort verstanden habe. Daneben eine Familie mit Kindern, die sich lebhaft stritten. Und mitten in diesem Durcheinander auf einmal die Gewissheit: es ist gut, wie es ist. Ich bin ganz bei mir selbst - und zugleich ganz aufmerksam für alles um mich her, und mit allem einverstanden, was geschieht.
Ich stelle mir vor, dass Gott so auf seine Schöpfung geschaut hat, als er sie geschaffen hatte und „sah, dass sie sehr gut war", wie die Bibel sagt. Mit diesem liebenden Blick, der alles sein lässt, was ist und wie es ist.
Solche Augenblicke gibt es nicht nur in Urlaub. Sie sind selten, aber sie können mir überall geschenkt werden, manchmal in den unmöglichsten Situationen. Aber im Urlaub, scheint mir, bin ich eher bereit, sie auch anzunehmen. Mal sehen...

 

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