Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In welchem Land sind die Menschen am glücklichsten? Eine Studie sollte es an den Tag bringen. Und was da herausgekommen ist, mag man kaum glauben: Es ist Bangladesch. Ich weiß nicht, wie man das ermittelt hat, und mit welchen Kriterien man Glück für so ein Ranking misst. Und vielleicht sind bei diesem Ergebnis ja auch handfeste Interessen im Spiel.
Trotzdem beschäftigt mich das: Ausgerechnet in einem der ärmsten Länder der Erde sollen die Menschen am glücklichsten sein. Nicht in einem der Erdölstaaten, in denen kein Staatsbürger materielle Sorgen haben muss. Und auch nicht in Amerika, wo das Glücksstreben ein Verfassungsrecht ist wie Leben und Freiheit. Das Glücklich-Sein, in dem die bettelarmen Bengalen angeblich Weltmeister sind, muss anders sein als das, was man gewöhnlich so unter Glück versteht. Aber noch bleibe ich skeptisch.
Reichtum mache nicht glücklich, beteuern die Reichen. Kann gut sein, aber aus dem Mund von Millionären klingt das immer auch ein bisschen zynisch, und für wirklich Arme bin ich ja auch reich. Mit dieser Allerweltsweisheit kann man die Unterschiede kleinreden, so klein, dass es am Ende kein Skandal mehr ist, wenn die einen hungern, während die anderen im Luxus schwimmen.
Auch ich glaube nicht, dass man umso glücklicher wird, je mehr man hat; das habe ich schon längst an mir selbst gemerkt. Aber ich glaube auch nicht, dass man glücklich sein kann, wenn man nicht weiß, wovon man morgen leben soll oder wie man die Kinder satt kriegt. Deshalb macht es mich auch glücklich, wenn ich weiß, dass auch andere haben, was sie zum Leben brauchen, und dass ich dazu beitragen kann. Reichtum mag zwar nicht glücklich machen, die gerechtere Verteilung von Reichtum aber schon, mich jedenfalls.
Was mich sonst noch glücklich macht? Dankbarkeit üben zum Beispiel, immer wieder, mir in Erinnerung rufen, wie oft ich schon Glück hatte in meinem Leben, was da alles hätte schief gehen können und doch gut geworden ist, was für einen Schatz an Beziehungen ich habe, wie kostbar mein Glaube ist, der mich bisher immer getragen hat.
Ich weiß nicht, was die Menschen in Bangladesh unter Glück verstehen und was sie glücklich macht. Am Ende ist es vielleicht gar nicht so anders als bei mir.

 

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