Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich habe mich lange dagegen gewehrt, ein Handy anzuschaffen. Ich habe es einfach nicht vermisst. Und dann musste ich im Stau mal einen Vordermann fragen, ob ich vielleicht mal schnell durchgeben könnte, dass es später wird. Nach diesem Notfall hatte ich dann irgendwann doch ein eigenes Handy.
Was war das, was hat mich daran gehindert, einfach mit der Zeit zu gehen, so, wie ich es mit Waschmaschine, Fernseher, Auto und PC ja auch ganz selbstverständlich tue?
Gut, ich gewöhne mich nie leicht an technische Neuerungen, weil ich Angst habe, ich könnte mit der Bedienung nicht klarkommen. Aber ich glaube, das war eher vorgeschoben; der eigentliche Grund, weshalb ich mich gegen ein eigenes Handy gewehrt habe, lag woanders.
Es gibt Zeiten, da möchte ich nicht erreichbar sein. Ich brauche das einfach, hin und wieder einen Tag, eine Stunde, ein paar Minuten zu haben, in denen ich für nichts und niemanden zur Verfügung stehe. Meistens tue ich dann gar nichts und trödle einfach so vor mich hin. Ich steige mal kurz aus all den Verpflichtungen und Erwartungen aus, die mich zu Hause und im Beruf umstellen. Dass ich dabei ausdrücklich bete, ist selten, aber in solchen Augenblicken spüre ich etwas von Freiheit, und dieses Gefühl hat für mich immer mit Gott zu tun. Ich muss nicht immer funktionieren, ich darf auch einfach nur leben. Und Gott sei Dank fällt der Himmel auch dann niemandem auf den Kopf, wenn ich ihn - ausnahmsweise - mal nicht abstütze.
Ob andere mir solche Freiräume zugestehen? Ja, das tun sie; manchmal fällt es gar keinem auf, wenn ich mal nicht zu erreichen bin. Viel spannender ist die Frage, ob ich das dann auch aushalte, wirklich für eine Weile bei mir zu sein und nicht gleich in irgendwelche Erledigungen auszubüchsen. Denn auch wenn ich mich nach Freiräumen sehne, gelegentlich brauche ich es ja selbst, immer gebraucht zu werden, immer erreichbar zu sein und immer jemanden erreichen zu können.
Nun kann das Handy als solches natürlich nichts dafür, dass wir unsere Träume von Bedeutsamkeit, von Allgegenwart, von Nie-mehr-allein-Sein ausgerechnet mit diesem unscheinbaren Gerät verbinden. Inzwischen lebe ich ganz gut damit. Die Funklöcher, die ich hin und wieder brauche, gibt's ja überall, ich brauche nur - auszuschalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8712
weiterlesen...