Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Bäcker. Sie bestellen 2 Brote. Sie bezahlen auch zwei Brote. Aber Sie nehmen nur eines mit. Vergesslichkeit? Nicht unbedingt. Jedenfalls nicht, wenn Sie in der Bäckerei von Sören und Hekmet Özer eingekauft haben. Die beiden hatten eine wunderbare Idee: Das "Brot am Haken". Es geht ganz einfach: Wer Geld übrig hat, zahlt ein Brot mehr. Dafür kommt dann ein Gutschein an den Haken. Wer wenig Geld hat, nimmt sich so einen Gutschein und kriegt das Brot dafür umsonst.
Die Idee ist genial einfach. Und sie funktioniert. Viele Kunden zahlen nicht nur ein Brot extra, sondern auch mal ein belegtes Brötchen oder einen Kaffee. Und die Leute spenden querbeet. Die Betuchten genauso wie die weniger Betuchten. Tatsächlich gibt es immer genügend Gutscheine, so dass niemand hungrig gehen muss.
Nur mit dem "Nehmen" hat es anfangs nicht so geklappt wie mit dem "Geben". Viele, denen es nicht so gut geht, schämen sich dafür. Sie hätten schon gerne ein Brot mitgenommen. Aber es fehlte ihnen zuerst der Mut dazu, es auch anzunehmen. Inzwischen ist das anders geworden. Mittlerweile kommen auch Kinder, die ohne Schulbrot in die Schule geschickt werden. Oder Rentner, die mit ihren 450 Euro auskommen müssen. "Ich hätte niemals gedacht, dass es hier bei uns so viele arme Menschen gibt", sagt Hekmet Özer. "Und wenn ich merke, da traut sich jemand nicht, dann frage ich einfach, ob er oder sie heute nicht ein Brot umsonst mitnehmen möchte. Armut kann schließlich jeden treffen. Wir sind doch nur die Brücke zwischen denen, die mehr haben und denen, die weniger haben. Und: Wir haben einen Stein ins Rollen gebracht. Mittlerweile gibt es schon einige Bäckereien, in denen es "Brot am Haken" gibt".
Mich fasziniert diese einfache und unkompliziert Art zu helfen, oder besser: diese Art zu teilen. Würden wir heute noch an der Bibel schreiben, müssten wir diese Geschichte mit hinein nehmen, finde ich. Und gleich hinter der Geschichte von der "wunderbaren Brotvermehrung". In der wussten die Jünger Jesu nämlich nicht, wie sie eine große Menschenmenge satt bekommen sollten. Sie hatten nur 5 Brote und zwei Fische. "Dann gebt ihnen die", soll Jesus gesagt haben. Und alle wurden satt. Da fragt man sich doch, wie das zugegangen sein soll. Vielleicht, denke ich mir, haben sie wirklich bloß geteilt, was da war. Und es hat gereicht. Das ist ein Wunder, und kaum zu glauben.
Aber: Seit ich das mit dem "Brot am Haken" in der Bäckerei von den Özers gelesen habe, kann ich mir vorstellen, wie das auch heute gehen kann.

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