Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Eine falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel", heißt es im „Buch der Sprichwörter" im Alten Testament (11,1). Und der Autor legt gleich noch eins drauf: „Rechte Waage und Waagschalen sind Sache des Herrn, alle Gewichtssteine sind sein Werk..." (16,11). Gott als Chef der Eichbehörde? - Wundert mich nicht, denn Waage und Waagsteine garantieren Gerechtigkeit. Gerechtigkeit aber ist einer der Namen Gottes. Darauf hört er, darauf springt er an, da fühlt er sich gemeint. Er will, dass sich seine Gerechtigkeit spiegelt in der Gerechtigkeit der Menschen.
 Schwer zu glauben, dass sich Gottes Gerechtigkeit im umstrittenen Sparpaket der Bundesregierung wiedererkennt. Ist das „ausgewogen", dass ausgerechnet Familien und Erwerbslose die Suppe auslöffeln müssen, die uns Banken und Börsen eingebrockt haben? Wer hat denn die Staatsfinanzen zerrüttet und die Milliarden verzockt? Gilt das Verursacher-Prinzip nicht mehr? Über ein Drittel der Einsparungen schlagen direkt in den Haushalten der Ärmsten ein. Den Hartz IV-Leuten wird das Elterngeld gestrichen. Sind ihre Kinder etwa weniger wert? Den Arbeitslosen werden die ohnehin mickrigen Rentenbeiträge weggekürzt. Das werden sie im Alter zu spüren bekommen. Einmal arm, immer arm. Und ob sie umgeschult und beruflich gefördert werden, ist nicht mehr Pflicht- , sondern Ermessenssache, um nur ein paar der „Grausamkeiten" zu nennen. 
Gerecht ist das nicht. Umso weniger, als man Vermögende, ihre Erben und die  Bezieher höherer Einkommen schont. Ihnen täte es gewiss nicht weh, wenn der Spitzensteuersatz erhöht oder eine geringfügige Vermögensabgabe erhoben würde. Viele von ihnen wissen auch, dass sie in der Verantwortung stehen und die Ärmsten die Last nicht alleine tragen können. Aber sie finden in der Politik kaum Gehör.
„Falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel" - Die Kirchen beurteilen das einseitig geschnürte Sparpaket kritisch. Die Waage der sozialen Gerechtigkeit ist aus dem Gleichgewicht und muss dringend nachjustiert werden. „Armut sollte es bei euch gar nicht geben...", das ist der Prüfstein, den die Bibel als Richtmaß auf die Waagschale legt  (Deuteronomium 15,4).
Das Evangelium ist „Frohbotschaft für die Armen". Christinnen und Christen sollten dieser Botschaft in der aktuellen Auseinandersetzung Nachdruck verleihen. Unser Standort ist an der Seite der Armen, so hat es uns Jesus selbst vorgelebt. In letzter Konsequenz müsste dies bedeuten: Wer sich mit den Armen anlegt, bekommt es mit uns zu tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8610
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