Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch die linke hin" (Matthäus 5,39) oder auch „Liebt eure Feinde" - diese Sätze, die Jesus gesagt hat, sind schwer zu verstehen Irgendwie geht einem das mit der Feindesliebe gegen den Strich.
„Wenn euch jemand auf die rechte Backe schlägt, dann schlagt ihm auch auf die rechte Backe", das wäre ein Satz, der sofort einleuchtet. Aber das was Jesus sagt, ist eine Zumutung.
Nicht nur für uns heute. Die Kirche im Mittelalter hat sich deshalb einen Trick einfallen lassen: Die linke Backe hinhalten und die Feindesliebe, das ist nur für die besonders gläubigen Menschen bestimmt, hat man gesagt. Für alle anderen reichen die 10 Gebote.
Gute Idee, aber ich fürchte, Jesus hat das so nicht gemeint. Er wollte schon, dass sich möglichst viele nach seinen Worten richten. Dabei ging es ihm nicht um moralische Höchstleistungen. Jesus war davon überzeugt, dass das Zusammenleben der Menschen davon profitiert. Die Sache mit der linken Backe war dabei nur ein Beispiel. Ich glaube, er wollte damit sagen: „Versucht einmal auf eine völlig andere Art und Weise miteinander umzugehen, als ihr es spontan tun würdet. Es dem anderen Heimzahlen das liegt nahe, aber was passiert, wenn ihr ausnahmsweise statt mit Rache mit Freundlichkeit reagiert? - Ihr verhindert, dass sich ein Streit immer weiter hochschaukelt und eskaliert. Euch selbst geht es dann auch besser, weil ihr echte innere Größe zeigt. Und euer Gegenüber wird ziemlich verblüfft sein."
Wie das konkret aussehen kann, habe ich neulich in einem Roman gelesen. Er spielt in Afrika. Eine der Hauptpersonen, eine Frau Namens Mma Makutsi besucht einen Tanzkurs. Am Anfang sollen sich die Teilnehmer einen Partner suchen und sie bekommt einen Mann ab, der weder tanzen kann, noch äußerlich etwas her macht. Zu allem Überfluss trifft Mma Makutsi an diesem Abend auch noch Violett, eine alte Schulfreundin, die mit einem sehr attraktiven Mann und wunderbaren Tänzer auch am Tanzkurs teilnimmt. Violett macht sich zuerst über Mma Makutsis Schuhe und dann über ihren Tanzpartner lustig. Mma Makutsi kocht innerlich und will schon zurückschlagen. Aber dann überlegt sie es sich und sagt freundlich und ganz ohne Ironie: „Der Mann, mit dem du tanzt, ist sehr attraktiv. Du kannst dich glücklich schätzen, einen so gut aussehenden Mann als Tanzpartner zu haben. Aber du bist ja auch eine sehr schöne Frau und hast so einen Mann verdient".
Und dann heißt es nur noch: „Violett starrte sie einige Sekunden lang wortlos an und schaute dann weg. Es wurde nichts weiter gesagt, und Mma Makutsi ging unbeschwert ihres Weges".

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