Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kinder werden groß, Kinder werden flügge. Das kann weh tun, ist aber auch spannend, wenn die Kinder von einst woanders Heimat entdecken. Wenn sie erwachsen werden und ihre eigenen Wege gehen, ohne sich nach den Eltern umzugucken. Ich habe diese Erfahrung in einer Geschichte aus dem Neuen Testament wiedergefunden. Sie erzählt von Maria und Josef und ihrem zwölfjährigen Sohn Jesus. Gemeinsam hatten sie in Jerusalem das Paschafest verbracht. Auf dem Heimweg nach Nazareth merken die Eltern, dass Jesus nicht mehr bei ihnen ist. Sie suchen ihn in der ganzen Reisegruppe, bei Bekannten und Verwandten. Schließlich gehen sie nach Jerusalem zurück und suchen dort weiter. Nach 3 Tagen schließlich finden sie ihn: er sitzt im Tempel und redet mit den Lehrern, und alle staunen über das, was er sagt. „Seine Eltern waren sehr betroffen", schreibt der Evangelist Lukas, und seine Mutter macht ihm Vorwürfe: „Wie konntest du uns das nur antun? Dein Vater und ich haben dich voller Sorge gesucht." Und Jesus antwortet: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, dass ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört? (Lk 2,48 f.)
Drei Tage sein Kind suchen und sich dann anhören müssen: Wieso habt ihr mich überhaupt gesucht? Das ist stark! Für Lukas, der die Geschichte aufgeschrieben hat, ist die Eltern-Kind-Beziehung allerdings nicht so wichtig. Er will auf Jesus hinweisen, will sagen, dass er Gottes Sohn ist. Deshalb bleibt er im Tempel, dem Haus Gottes, und lässt die Eltern alleine ziehen. Aber die begreifen die Welt nicht mehr. Lukas sagt wörtlich: „Sie verstanden ihn nicht". Und weiter: „Dann kehrte Jesus mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam.
Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen." Das Familienleben geht also normal weiter, aber es hat sich etwas geändert. Jesus hat fast brutal deutlich gemacht: Für mich ist die Welt bei Euch zu klein. Ich gehöre woanders hin. Der Sohn hat sein Zeichen gesetzt. Und dann geht er wieder mit nach Hause. Für eine Reihe von Jahren. Maria begreift nicht, aber sie behält im Kopf und im Herzen, was da geschehen ist. Maria stellt sich Jesus nicht in den Weg, als er dann wirklich weggeht. Die beiden bleiben verbunden. Auch wenn Jesus noch öfter sehr schroff zu seiner Mutter war. Die Bibel erzählt, daß sie nach seinem Tod mit seinen Jüngerinnen und Jüngern zusammen gelebt hat. Mit ihnen zusammen an Pfingsten den Heiligen Geist empfangen hat. Sein Ort ist schließlich ihr Ort geworden.

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