Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Nur zuhören
Stimme mir  weder zu
noch sei ablehnend.
Beurteile mich nicht
oder suche sofort nach Lösungen. Gib
mir keine Ratschläge.
Mache dir kein
eigenes Bild. Du
brauchst mich nicht
verstehen - nur
aus ganzem Herzen
zuhören. 

In einem Café habe ich diesen Text gefunden. Jemand hatte ihn an die Wand geschrieben.
Warum nur tut es so gut, wenn mir jemand zuhört? Wenn ich erzählen darf, mit viel Zeit, einem Menschen erzählen, der ganz dabei ist, mich nicht unterbricht und nicht gleich antwortet? Wer mir zuhört, schätzt mich und lässt mich das auch spüren: Was Du mitteilen willst von Dir, ist mir wichtig. Ich will dich dabei nicht aushorchen, nicht beeinflussen, nicht belehren. Ich höre, weil Du es bist und weil Du mir etwas sagen willst. Und will dabei respektvoll bleiben und diskret. Es geht um dich, deine Erlebnisse, Gefühle, Fragen, Ideen. Auch um das, was du gar nicht in Worte fassen kannst.
Überraschend sind in diesem Text Sätze wie: stimme mir nicht zu, suche nicht sofort nach Lösungen, und vor allem: du brauchst mich nicht verstehen.
Vielleicht steht das da, weil wir uns so oft täuschen, wenn wir meinen, einen andern zu verstehen. Weil  wir verstehen leicht mit Festlegen verwechseln. Und manchmal sind auch nicht die Lösungen wichtig oder es ist noch viel zu früh dafür, weil erst noch die Fragen Zeit brauchen, oder Zorn oder Schmerz. Manchmal ist jetzt die Zeit, daß jemand nur sagen darf: So geht es mir! Bitte hör mich!
Genau solche Worte finden sich auch in Gebeten. etwa im Psalm 88. Da hat vor über 2000 Jahren jemand zu Gott gerufen:
Neige dein Ohr mir zu! Höre auf mein lautes Flehen! Ich verstehe das so: nimm mich wahr, Gott, hör mir zu, hör dir meine Not an! Da steht nicht zuerst, daß Gott dies oder jenes tun soll, nur hören soll er. Aus ganzem Herzen nur zuhören.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8348
weiterlesen...