SWR1 3vor8

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Pfingstmontag

 Es ist eine unglaubliche Zusage und es sind starke, ungewohnte Töne, die heute am Pfingstmontag in den katholischen Gottesdiensten zu hören sind: „Eure Söhne und Töchter werden Propheten und Prophetinnen sein, eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen" - das spricht Gott durch den Propheten Joel. Da steckt Kraft drin, Feuer, Leidenschaft und: da sind die Frauen mit dabei. Eine  fast  2000 Jahre lang von Männern beherrschte Theologie hat es zu verdunkeln gewusst, dass Gott und liebende Leidenschaft etwas miteinander zu tun haben könnten. Dass dem aber so ist, darauf deuten auch die züngelnden Flämmchen hin, die sich nach dem Pfingstbericht der Bibel „wie von Feuer" auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu verteilt haben. (Apostelgeschichte 2,1-13) Die sind regelrecht be-geistert gewesen. Und aus der Begeisterung der ersten Christen ist  Kirche entstanden. Pfingsten gilt als die Geburtsstunde der Kirche. Wenn von „Mutter Kirche" die Rede ist, dann schließt sich für mich ein Kreis:  Von Gottes Geist, vom Heiligen Geist sprechen, hat etwas zu tun mit der mütterlichen Seite in Gott. Sprachlich unterstützt diesen Gedanken  das hebräische Wort für Geist - „ruach" - und das ist weiblich. Kirchenväter in Syrien hatten das bereits vor 1500 Jahren aufgenommen, als sie vom „Mutteramt" des Geistes gesprochen haben. Trotz kirchlichen Verbots hat es immer wieder Maler gegeben, die den Heiligen Geist in Gestalt einer Frau dargestellt haben. So im 18. Jahrhundert in der Zeit des  Barock der Künstler Meinrad von Au aus Sigmaringen (1712 - 1792). Auf dem Bild ist über dem gekreuzigten Jesus und neben Gott eine weiß gekleidete Gestalt zu sehen, umgeben von einem hellen Licht  und einem Kranz aus zungenartigen Gebilden. Das Gesicht, die zarten Hände und Füße, ein leicht angedeuteter Busen, das spricht für eine Frau und steht für den Heiligen Geist. Ein für damals gewagtes Bild, aber ein schönes Bild. Selbstverständlich gilt: Gottes Geist ist einzigartig und unverfügbar. Er entzieht sich  jedem menschlichen, auch jedem kirchenamtlichen Zugriff. Andererseits erkenne ich in solchen Texten und Darstellungen die mütterliche Seite in Gott, seine liebende Zuneigung und Nähe. Neben der uns eher vertrauten väterlichen Seite in Gott  kam die mütterliche Seite in der Vergangenheit viel zu kurz. Sie wieder zu entdecken entspricht dem menschenfreundlichen Gott, den  Jesus verkündet  hat. Ich jedenfalls fühle mich gut bei solchen Überlegungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8320
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