Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was wäre unsere Erde ohne Wasser? Die vielen Wasserwelten prägen unseren Planeten. Der SWR widmet unter dem Motto, „Wasserwelten", in dieser Woche eine Reihe von Sendungen dem kostbaren Nass. Als ich davon erfuhr, erinnerte ich mich spontan an meine Jugendzeit. Lange bevor ich mich für ein Studium der Theologie und für die Priesterausbildung entschied, wollte ich nämlich Ozeanograph werden, Meeresforscher. Das Meer, das mich immer noch fasziniert, auch wenn ich inzwischen Pfarrer geworden bin, bietet einen fantastischen Lebensraum. Ich habe das Thema „Wasserwelten" also zum Anlass genommen und in meinem Umfeld mal nachgefragt, woran die Leute spontan denken, wenn sie das Stichwort Wasser hören. Die Antworten darauf waren sehr vielfältig. Unter anderem kam auch mehrmals eine Redewendung zur Sprache, die wir benutzen, wenn wir über jemanden sagen, dass er oder sie nicht gut genug für etwas ist. Die Redewendung lautet: Diese Person „kann mir nicht das Wasser reichen." Hintergrund für solches Reden sind Tischsitten, die schon in der Antike zu finden sind: Weil mit den Händen gegessen wurde und nicht mit Messer und Gabel, musste man sich nach dem Essen die Hände waschen. Dazu hielten Bedienstete, Sklaven oder Knechte, Wasserschalen hin, so dass man sich direkt am Tisch die Hände reinigen konnte. Im Mittelalter gab es die Sitte auch, doch der Adel duldete dafür keine einfachen Knechte, sondern wollte angemessenes Personal für diesen Dienst an den adeligen Händen haben. Billige Knechte konnten ihnen nicht das Wasser reichen. Es ging also eigentlich gar nicht um die Knechte, sondern um die Eitelkeit der Adeligen, die mit diesem Gehabe sich selbst aufwerten wollten. Dazu fällt mir die Begegnung Jesu mit einer Frau am Brunnen ein, von der das Neue Testament erzählt. Jesus bittet sie, eine fremde Frau, um Wasser. Eigentlich war das gegen die Regeln, zumal die Frau auch noch einer anderen Glaubensgemeinschaft angehörte. Es entsteht dennoch ein Gespräch zwischen den beiden, das einerseits menschliche Begrenzungen aufzeigt, andererseits die Botschaft vermittelt, dass Jesus selbst Lebensquelle ist, dass er uns in Tiefen führt, die unseren Lebensdurst, unsere Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung stillen können.
Lebendiges Wasser - das Bild in der Rede Jesu ist ein Symbol für sinnerfülltes Leben. Vielleicht bin ich darum kein Meeresforscher geworden, sondern Priester, weil ich - im Bild gesprochen - mit anderen den Weg zur Quelle gehen möchte, und weil ich weiß, wie gut es tut, wenn mir jemand das Wasser reicht, weil er meinen Durst erkannt hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8267
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