Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die meisten Wohnungen, in denen ich bisher gelebt habe, befanden sich in Mehrparteienhäusern. Auch gegenwärtig ist das so. Wobei wir jetzt in einem kleineren Haus wohnen - zusammen mit zwei weiteren Familien. Da wissen wir recht gut voneinander Bescheid. Und wir vertrauen einander. Zumindest überlassen wir uns gegenseitig in Zeiten der Abwesenheit die Wohnungsschlüssel zwecks Blumengießen und Postsammeln. Und gelegentlich helfen wir uns gegenseitig aus, wenn dort mal die Milch fehlt und hier das Salz ausgegangen ist.
Ich habe es aber auch schon anders erlebt - in größeren Häusern mit mehr Parteien. Da kannte ich zwar ebenfalls irgendwann alle Bewohner, doch waren das vergleichsweise distanzierte und förmliche Kontakte. Nur mit ganz wenigen hatte ich einen näheren Umgang. Bis wir eines Tages auf die Idee kamen, für alle im Haus ein Fest zu veranstalten. Das trug dazu bei, die Hausgemeinschaft zu verbessern. Und so kam es, dass wir plötzlich mehr Anteil erhielten an dem, was jede und jeder von uns zu bewältigen hatte. Wenn wir einander trafen, sagten wir nicht mehr nur „Grüß Gott", sondern fragten auch nach Entwicklungen. Und manchmal wurde daraus die Frage: Kann ich irgendwie helfen?
Um das Bewusstsein einer solchen Hausgemeinschaft geht es auch in dieser Woche vor dem Pfingstfest. Da ist nämlich die Ökumene, das Miteinander der unterschiedlichen christlichen Kirchen, ein wichtiges Thema. In dem Wort „Ökumene" steckt das griechische Wort „oíkos - Haus". So verstanden wäre die Ökumene einer Hausgemeinschaft vergleichbar, in der die vielen christlichen Kirchen miteinander leben wie in einem Mehrparteienhaus. Die einen tun sich dabei leichter, weil sie bei aller Verschiedenheit doch vieles gemeinsam haben. Die anderen tun sich schwerer, weil sie sich fremd sind und das im Grunde Gemeinsame sehr unterschiedlich praktizieren. Aber das Pfingstfest als Geburtstag der Kirche führt sie alle an ihren Ursprung zurück. Und damit kann dann das beginnen, was auch in Mehrparteienhäusern so wichtig ist: Dass man mehr voneinander erfährt und mehr Anteil aneinander nimmt. Und dass auf diese Weise mehr Vertrauen zueinander wächst. Der Apostel Paulus hat dieses Miteinander Verschiedener einmal im Bild des menschlichen Leibes und seiner Glieder beschrieben. „Wenn ein Glied leidet", schreibt er, „leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm" (1. Korintherbrief 12,26). Ich finde, dass dieses Wort in Sachen Einheit viel bewirken kann, wenn die Kirchen sich davon leiten lassen. Vor allem die Basis.

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