Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Die Welt zu Gast bei Freunden": So lautete das Motto der Fußballweltmeisterschaft 2006. Ein sehr harmonisches Motto. Und harmonisch ging es tatsächlich auch zu - damals vor vier Jahren. Ob es in den Stadien war, beim Public Viewing oder in den Mannschaften selbst: Überall war ein großer Zusammenhalt spürbar. Man freute sich, umarmte sich, tauschte sich aus. Man blieb nach den Spielen zusammen und gönnte einander den Erfolg. Und wenn sich der nicht einstellen wollte, dann teilte man auch schon mal die Trauer darüber.
Tatsächlich: Die Welt rückte damals, wie es schien, zusammen. Auch wenn das nur für einen verhältnismäßig kurzen Moment war. Und wenn es bei weitem nicht die ganze Welt betraf. Die gab sich nach wie vor unruhig. Schade eigentlich, dass Ereignisse wie Olympiaden oder Fußballweltmeisterschaften - Ereignisse, bei denen sich so viele Nationen friedlich begegnen - nicht mehr bewirken als solche Momentaufnahmen. In mir lösen sie eine Ahnung aus, wie das wohl sein mag, wenn Menschen einander verbunden sind, statt gegeneinander zu stehen.
An diesem Sonntag geht in München der zweite Ökumenische Kirchentag zu Ende. Für mich haben Kirchentage eine ähnliche Wirkung wie Fußballweltmeisterschaften und Olympiaden. Zwar sind sie mehr nationale Ereignisse, auch wenn die Welt durch die eine oder andere Gruppe vertreten ist. Wichtiger aber ist, dass die Menschen zusammenrücken. Dass sie den Kirchentag wie ein großes Fest miteinander feiern. Dass sie das Gefühl vermitteln: Es geht doch. Es ist möglich, die sonst so sehr im Vordergrund stehenden Grabenkämpfe auszusetzen oder - besser noch - zum Gesprächsthema zu machen mit dem Ziel einer Überwindung. Das gilt auch - und bei diesem Kirchentag speziell - für die konfessionellen Grabenkämpfe. Die werden zwar weitergehen, aber möglicherweise anders. Das ist die Hoffnung, die sich mit einem ökumenischen Kirchentag verbindet. In einer Zeit, in der so viele Konflikte herrschen - im Großen wie im Kleinen -, in der beinahe täglich neue Gräben aufgerissen werden, bis hinein in Nachbarschaften und Familien, ist es ein wichtiges Signal, zusammenzurücken und über alles Trennende hinweg das Gemeinsame zu pflegen. Nicht nur bei Kirchentagen und Fußballweltmeisterschaften.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8263
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