Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

  In alten Chorälen gibt es die Bitte, dass Gott denen, die sich jeden Tag abmühen, auch das geben möge, was sie zum Leben brauchen. Und dann schließt sich oft noch die Bitte an, dass der Wohlstand, wenn er denn kommen soll, kein ‚unrechtes Gut' sei, also nichts, was eigentlich anderen zusteht oder womit ich anderen schade.
Vor kurzem habe ich mal wieder eines dieser Lieder mitgesungen. Dabei musste ich auch an das denken, was ich besitze, was ich mir anschaffe, was ich so jeden Tag kaufe und verbrauche. Geht da wirklich alles mit ‚rechten Dingen' zu? Ist es zum Beispiel in Ordnung, wenn ich Gemüse kaufe, das bei der Produktion in Afrika so viel Wasser verbraucht, dass die Leute, die es produzieren, nicht mehr genug Trinkwasser haben?
Ich weiß nicht, was der Liederdichter im 17. Jahrhundert vor Augen hatte, wenn er von ‚unrechtem Gut' sprach. Vielleicht war das früher ja leichter zu unterscheiden, aber heute? Ich freue mich, wenn das tolle T-Shirt nur 12.95 € kostet, klar, wer würde sich da nicht freuen. Und viele müssen ja auch mit spitzem Griffel rechnen. Und trotzdem kann ich nicht so tun, wie wenn ich nicht wüsste, unter welchen Arbeitsbedingungen solche Schnäppchen produziert werden, in chinesischen Fabriken etwa.
Ob man als einzelner überhaupt aus diesem System aussteigen kann? Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht liegt der erste Schritt auch gar nicht in einer radikalen Veränderung, sondern darin, dass wir uns das klarmachen. Vielleicht liegt der erste Schritt darin, dass wir einen Blick dafür entwickeln, wo Menschen nicht das bekommen, was ihnen zusteht. Die Beschäftigten im so genannten Billiglohnsektor, die nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. Frauen, die keine Rente bekommen, weil die Erziehung von Kindern nicht als Arbeit gilt. Bauern, die am Preisdruck der Konzerne ersticken. Aber auch die Kollegin, die im Hintergrund gearbeitet hat, während ich für den gemeinsamen Erfolg gelobt werde.
Ungerechter Reichtum' hat viele Gesichter, die meisten sind ganz unauffällig. Eines aber ist richtig hässlich. Es heißt: ungerechte Armut. Armut der einen, die den Wohlstand der anderen ermöglicht. Auch meinen Wohlstand und meine Bequemlichkeiten?

 

 

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