Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zwölf Minuten hat Antje für ein Zimmer. Saugen. Betten machen. Waschbecken auswischen. Dazu Etagenduschen. Gemeinschaftsküche. Alles muss sauber sein. In der Stunde bekommt sie 6 Euro 40. Sie arbeitet Montag bis Freitag. Wenn's brennt auch mal am Wochenende.
Antje hat Arbeit. Ihr Lohn reicht nicht oder nur knapp zum Leben.
Aber was soll Antje machen - und die Männer und Frauen, denen es so geht wie ihr. Menschen, die Arbeit haben, aber davon nicht leben können.

In der Bibel gibt es eine Geschichte, die erzählt, dass genau das nicht sein darf. Jesus erzählt von so etwas wie einem abendlichen Zahltag. Die Arbeiter bekommen ihren Lohn ausgezahlt. Die den ganzen Tag gearbeitet haben, die bekommen einen Denar. So war es mit ihnen vereinbart und zunächst sind sie zufrieden.

Aber dann sehen sie die anderen, die erst viel später kamen, manche sogar erst als schon der Feierabend in Sicht war. Auch die bekommen einen Denar. Irgendwie ungerecht, oder? Ja, total ungerecht, sagen die frühen Arbeiter zu ihrem Chef, unverschämt, gleiche Bezahlung für so ungleiche Leistung.

Ehrlich gesagt, daran habe ich auch zu knabbern. Aber in dieser Geschichte steckt noch eine andere Botschaft, ein Gedanke, der gerade heute wichtig ist. Mit einem Denar Tageslohn bekommen die Arbeiter so viel, wie sie brauchen, um leben zu können. Ich kann den Zorn der anderen schon verstehen. Aber die Geschichte lässt mich erkennen, dass der erst später dazu kommt, weil er vorher nicht genommen wurde, auch der muss essen, auch seine Familie braucht Kleider. Ein Denar. Weniger geht nicht. Die Geschichte weist darauf hin, dass es ein Maß gibt, das nicht unterschritten werden darf. Das ist eine Sache der Menschlichkeit. Dieses Maß nach unten wird bestimmt von dem, was ein Mensch braucht, um am Leben teilzuhaben. Und dieses Maß muss eingehalten und immer wieder überprüft werden.

Luxus kann man sich davon nicht leisten. Aber mit den Kindern einen Ausflug in den Freizeitpark machen oder ein Eis essen. Eben wenigstens ein bisschen mitmachen können beim Leben und nicht immer an der Seite stehen.

Wenn es so eine Grenze nach unten gibt, dann könnte eine fragen, ob es so eine Grenze auch nach oben gibt. Und wie die beiden Grenzlinien miteinander zu tun haben. Zugegeben, davon steht nichts in der Geschichte. Aber ich finde, sie regt an, darüber nachzudenken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8171
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