Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Schon oft bin ich an der Tür vorbeigegangen. Sie ist dunkelrot und auf dem Schild steht: Putzraum. Die Tür stand neulich offen. Da habe ich hinein geschaut

Nicht zu übersehen war ein riesiger Staubsauger.
Dann dieses etwas komische Gerät mit der roten Gummikappe und einem Holzstiel. Das so hilfreich ist, wenn der Abfluss verstopft ist.
Auf dem Regal viele Mittelchen... darunter Spiritus. Der sorgt beim Fensterputzen für klare Sicht.
Ganz hinten - noch eine große Maschine. Unten mit einer runden Bürste, damit kann man - eher wird es wohl Frau sein - den Boden zum Glänzen bringen.

Und wie ich so stehe und schaue, bin ich plötzlich bei der Frage: Wo sind eigentlich die Putzmittel für mein inneres Haus? Was steht mir zur Verfügung, um den Dreck, die Verkrustungen, den Staub der Gewohnheiten weg zu bekommen. Verstopft ist manchmal nicht nur der Darm. Verstopft sind auch die Ohren, dass wir einander nicht mehr zuhören können. Verstopft ist oft der Kopf, da geht nichts mehr rein. Und bis der wieder leer ist, das kann Tage dauern und Wochen. Das erinnert mich daran, wie nötig Pausen sind.

Gut wäre auch ein Mittel gegen das nicht mehr durchblicken Können.
Thomas, ein Mann um die 50, hat mich erinnert, wie wichtig das ist. Er hat mir aus seinem Leben erzählt: Das kam soweit, dass ich keine klare Sicht mehr hatte, nicht auf meine Finanzen, nicht auf meine Beziehungen. Am schlimmsten, dass du nicht mehr weißt, was du brauchst, was du fühlst. Es ist wie hinter einem Schleier leben, und die anderen wissen alle besser als du selbst, was los ist hinter der Fassade.

Und so eine Poliermaschine wäre auch toll, finde ich. Damit wieder glänzt, was mit den Jahren so stumpf, so freudlos geworden ist. Die Begeisterung an einem Thema, die Leidenschaft für eine Musik, die Lust etwas Ungewöhnliches zu unternehmen.

Die Putzmittel für mein Leben stehen nicht im Putzraum auf dem Flur. Für mich sind es Zeiten der Stille. Tage des Schweigens abseits vom Alltag. Lange Wanderungen in der Natur. Es sind Gebete, Sprechzeiten mit Gott. Es sind auch Gespräche mit einem Menschen, der so zuhört, dass es meiner Seele gut tut. Danach fühle ich mich wie neu geboren, frisch geputzt mein Herz. Da erscheint mir mein ganz normales Leben wieder in neuem Glanz. Ich blicke wieder durch.

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