SWR4 Abendgedanken BW

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„Was Gastfreundschaft wert ist, weiß nur, wer von draußen kommt, aus der Fremde." Das hat Romano Guardini gesagt, der große katholische Theologe.
Deshalb macht es mich im Urlaub immer ein bisschen nachdenklich, wenn irgendwo steht: „Fremdenzimmer zu vermieten". Dann weiß ich schon gleich, wer ich bin. Und was ich wohl auch bleiben soll.
Im Winter fahren wir dagegen seit gut 15 Jahren eine Woche zum Skifahren in immer den gleichen Ort in die gleiche Ferienwohnung. Mit den Vermietern duzen wir uns. Sie kennen mich schon, als ich als Kind mit meiner Eltern dorthin gefahren bin. Wir schreiben uns zum Geburtstag und rufen uns ab und zu mal an. Dort sind wir keine Fremden mehr sondern Gäste, ja geradezu Freunde.
Durch Gastfreundschaft werden eben aus Bekannten Freunde.
Aber woran spüre ich, dass ich gastfreundlich willkommen bin?
Für mich ist das weniger das perfekte Abenddiner mit stilsicherer Tischdekoration und exzellentem Wein. Diese Art von Gastfreundschaft drückt zwar aus, wie sehr ich von den Gastgebern wertgeschätzt werde. Zugleich aber kann sie mich auch auf Distanz halten. Denn ich komme in einen Zugzwang, beim nächsten Mal eine ähnlich perfekte Gegeneinladung auszusprechen. Und das wollen oder können manche nicht leisten. Also kommt es eher nicht zu einer zweiten Einladung und man kann sich nicht näher kommen.
Nein, ich finde, wahre Gastfreundschaft lebt mehr von der Einfachheit. Natürlich gehört auch Essen und Trinken und eine warme Atmosphäre mit dazu. Gastfreundlich ist für mich aber vor allem ein Ort, an dem ich verschnaufen, Atem holen und zur Ruhe kommen kann. Wo ich spüre, dass mich die Gastgeber an ihrem Leben teilhaben lassen. Wo ich einfach dabei sein kann. Wo ich nichts besonderes sein und schon gar nichts leisten muss. Ich möchte, dass sie sich wirklich für mich interessieren und sie mich einen Blick in ihr Leben nehmen lassen. Denn so lernen wir unsere Lebenseinstellungen und Überzeugungen besser kennen. So werden Schranken und Vorurteile abgebaut. So wird Schubladendenken eingedämmt. So wird Unverständnis, ja sogar scheinbar Feindseliges klein gehalten. Was ich mir als Gast wünsche, das möchte ich auch bei mir daheim als Gastgeber anbieten. Denn Gastfreundschaft lerne ich zwar in der Fremde, aber üben muss ich sie zu hause.
Und dann, so ganz nebenbei, gewinne ich vielleicht einen Mehrwert, mit dem ich gar nicht gerechnet habe. Und den beschreibt die Bibel so: „Gastfrei zu sein vergesst nicht, denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt." (Hebr. 13,2)

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