Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Du sollst Vater und Mutter ehren, damit du lange lebest auf Erden...“ Dieses vierte der „Zehn Gebote“ kenne ich als Geheimwaffe gestresster Eltern gegen aufmüpfige Kinder. Bei näherer Betrachtung aber war es die „Rentenformel“ im Volke Israel. Du sollst für Vater und Mutter sorgen, davon wirst du einmal selber profitieren, heißt das ganz banal!
Dieser Generationenvertrag stand Pate für die Rentenversicherung bis zum heu-tigen Tag. Doch nun wackelt die Bude. Immer weniger junge Beitragszahler haben für immer noch mehr Alte einzustehen. Und die werden auch immer noch äl-ter! Was tun? Nichts leichter als das: Also Rente erst mit 67!
Nun gut – in diesem Alter fühlen sich manche noch fit wie ein Turnschuh. Aber gilt das auch für jene, die schon mit 16 ins Arbeitsleben hineingeworfen wurden, sich jahrzehntelang krumm machten auf dem Bau oder eingebunden in den Takt von Maschinen, in Schicht und Akkord? Und wie viele andere hatten ein Arbeits-leben lang nichts als nur Termindruck und Stress! Das hat Spuren hinterlassen. So viele Leute können und wollen nicht mehr. In dieser realen Arbeitswelt kann man gar nicht alt werden, dazu müsste man sie erst von Grund auf umgestalten.
Für viele Menschen endet ihr Berufsleben im Crash! Die einen drückt man in den besten Jahren vorzeitig hinaus. Sie gehen zornig, frustriert und gedemütigt. Wer aber freiwillig früher aufhört, muss das teuer mit Abschlägen bezahlen! Das ist nicht recht! Das Leben ist viel zu kompliziert für so eine biedere Formel: „Rente mit 67“. Die Menschen erkennen die Absicht und sind verstimmt. Auf diese krumme Tour, so meinen sie, soll doch nur das Renten-Niveau gedrückt werden. Sie fühlen sich betrogen, denn auch die Rente ist ja Lohn der Arbeit.
Uns allen muss an Wohl und Wehe der alten Menschen liegen. Wir dürfen Ältere mit dieser Formel „Rente mit 67“ nicht drangsalieren. Würden übrigens alle bis 67 schaffen, fehlen noch einmal drei Millionen Arbeitsplätze für die Jungen.
Die Politik sollte endlich den Mut haben, alle Einkommen – und nicht nur die aus Arbeit – für die soziale Sicherung heranziehen. Dann könnte man auch die Rente auf eine neue, solide Plattform stellen.
Im ersten Buch der Makkabäer im Alten Testament wird in bunten Farben die Sozialpolitik dieses Stammes gepriesen. Da steht auch der schöne Satz, über den man ein wenig schmunzeln darf: „Auf den Plätzen saßen die Alten; und alle sprachen von ihrem Glück...“ Welch ein Glück, dass wir heute älter werden. Dann werden wir es doch wohl schaffen, dass dies in Würde geschieht.
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