Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Februar 1997 hielt die Politik für einen Tag lang den Atem an: Die beiden großen Kirchen veröffentlichten ihr mit Spannung erwartetes „Sozialwort“ unter der Überschrift: „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“.
Nach zehn Jahren wäre es eigentlich Zeit für eine kritische Bilanz. Sie fiele ernüchternd aus! Die Massenarbeitslosigkeit ist keineswegs gebrochen. Nicht ein-mal die gegenwärtige Hochkonjunktur vermag sie entscheidend zu mindern. Tag für Tag hören wir, wie da fette Renditen eingefahren und im selben Atemzug Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut werden. Da erhöhen sich Manager schamlos ihre Bezüge und setzen gleichzeitig ganze Unternehmen in den Sand. Da fallen geldhungrige „Heuschrecken“, hoch riskante Anlage-Fonds, über ge-sunde Betriebe her und fressen sie kahl.
Lebensnotwendige, beschäftigungsintensive Aufgabenfelder aber liegen weiter-hin brach: der Ausbau der sozialen Netze, eine menschenwürdige Pflege, der ökologische Umbau oder eine breite Bildungsoffensive. Da gäbe es doch jede Menge zu tun, wenn die Politik diese Felder endlich beackern würde. Allein auf den Markt zu vertrauen, ist vergebliche Liebesmüh. Der ist sozial und ökologisch blind.
Statt dessen hat man nur den Druck auf die Arbeitslosen verstärkt, ohne ihnen neue und zusätzliche Arbeitsplätze zu bieten. Statt Arbeit und Einkommen zu teilen, wird die Arbeitszeit - meistens ohne Lohnausgleich – sogar noch verlängert.
Einmütig bekannten sich vor zehn Jahren beide Kirchen zum Sozialstaat. Die Solidarität müsse die tragende Säule bleiben. Die bisherigen Reformen aber schonen weiterhin die Vermögen der Reichen und die Gewinne der Konzerne.
Es wäre höchste Zeit, dieses Sozialwort von damals mutig fortzuschreiben. Ob die Kirchen dazu willens und in der Lage sind, ist nicht zu erkennen.
Dann liegt es also an uns, ob wir das „Doppelgebot der Nächsten- und Gotteslie-be“, die Basis dieser Denkschrift, in die Tat umsetzen. Wir werden uns daher selbst einmischen und uns um jene kümmern müssen, die auf der Strecke bleiben. Arme und Arbeitslose leben oft unerkannt in unserem eigenen Umfeld. „Sie sollen mit Verlässlichkeit Erbarmen erfahren“, heißt es in diesem Kirchenpapier.
Doch das ist nicht alles: „Dieses Erbarmen drängt auf Gerechtigkeit“, so fährt der Text fort. Und das heißt, dass wir den Schrei nach Gerechtigkeit verstärken müssen.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=810
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