Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zielvorstellungen sind gut, aber manchmal können sie auch frustrieren. Und sie können einen Menschen daran hindern, seinen eigenen Weg zu gehen.
Das ist mir klar geworden, als ich meiner Tochter neulich beim Basteln zugesehen habe.
Sie wollte Osterschmuck modellieren. Auf der Packung der Modelliermasse hat sie Fotos gesehen, die zeigen sollten, welche Kunstwerke mit diesem Material möglich sind. Meiner Tochter wollte es genau so machen wie auf der Packung. Aber obwohl sie sich große Mühe gegeben hat, hat sie es nicht so hinbekommen. Das hat sie völlig frustriert und sie wollte schon aufgeben. Aber dann hat sie angefangen, einfach eigene Kreationen zu modellieren. Die hatten mit der Vorlage auf der Packung nichts mehr zu tun, haben aber auch sehr schön ausgesehen, und plötzlich hat das Basteln meiner Tochter richtig Spaß gemacht. 
Ich denke, nicht nur meine Tochter beim Basteln, sondern jeder Mensch hat für die verschiedenen Bereiche seines Lebens Bilder vor Augen. Bilder, auf denen zu sehen ist, wie sein Leben aussehen soll. Ich habe einmal meine Schüler gefragt, wie sie sich ihr Leben in 20 Jahren vorstellen, und da kamen eine Menge solcher Bilder. Ein Schüler hat sich als Fußballprofi gesehen, eine Schülerin als Architektin, und wieder ein anderer Schüler als glücklicher Familienvater.
Ich glaube, solche Zielvorstellungen sind gut, wenn sie zu mir passen. Dann können sie mich motivieren und mir helfen, auf meinem Weg voranzukommen. Zielvorstellungen können aber auch ziemlich frustrierend werden, dann, wenn sie eben nicht zu mir passen und mich überfordern. Ich denke, eine Menge Frust und Stress im Leben kommt von solchen unrealistischen Zielen.
Es kann entlastend und befreiend sein, wenn ich das erkenne und die falschen Ziele einfach in den Wind schieße. Nur ist das manchmal schwer. Denn Ziele haben immer etwas mit Wünschen und Träumen zu tun. Die gebe ich nicht gern auf. Das Gemeine an den hoch gesteckten Zielen ist, dass andere Dinge dagegen leicht unbedeutend aussehen. Aber das sind sie nicht. Fußballprofi ist ein tolles Ziel. Aber es wäre z.B. auch ein lohnendes Ziel, Jugendtrainer im Verein zu werden. Und wenn ich es schaffe, übernehme ich eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe.
Wenn es mir gelingt falsche Zielvorstellungen loszulassen, bin ich zufriedener und auch ein Stück näher dran an mir selbst.

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