Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein kleines Dorf im italienischen Piemont liegt so eingekesselt zwischen hohen Bergen, dass es in den Wintermonaten total im Schatten versinkt. Kein einziger Sonnenstrahl verirrt sich in dieses tiefe Tal. Bis man auf die Idee kam, hoch oben auf dem Berg mächtige, computergesteuerte Spiegel zu montieren und mit ihrer Hilfe ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Und siehe da: Für ein paar Stunden am Tag ist der kleine Dorfplatz in ein mildes Licht gehüllt. Die Menschen sind happy.
Viele tauchen an diesem Montagmorgen wieder ein in ihre Arbeitswelt. Manche erfahren sie wie eine finstere Schlucht. Wirtschaftliches Kalkül, knallharter Wett-bewerb, Kostensenkungsprogramme, Leistungsverdichtung und Arbeitsplatzab-bau versperren den Menschen die Aussicht. In hell erleuchteten Fabrikhallen und freundlichen Büros fehlt es an Wärme und Licht, denn eine lähmende Angst ver-düstert das menschliche Miteinander. Schlägt das gar um in Aggressivität und Mobbing, dann wird der Arbeitsalltag zu einem tiefen Tal der Tränen.
Was im Piemont aber erst erfunden werden musste, hat sich in der Arbeitswelt schon längst bewährt: Es gibt Menschen, die mit ihrer Ausstrahlung so etwas wie Sonnenschein und Wärme in diesen finsteren Talkessel hinein spiegeln. Ich den-ke an eine Kollegin am Montageband, die immer ein aufmunterndes Wort übrig hat und mit ihrem Humor die Düsternis erhellt. Betriebsräte, die sich schützend vor die Schwachen stellen und kämpfen um Recht und Würde der Arbeit. Ich denke an Vorgesetzte, die Vertrauen und Sicherheit ausstrahlen. An mittelständi-sche Unternehmer, die Aufträgen nachjagen, um Arbeitsplätze zu erhalten, die Ausbildungsplätze schaffen, auch wenn sie draufzahlen. Ich denke an so viele, die einfach ungefragt zupacken, wo Hilfe nötig ist. Die zuhören und Anteil neh-men aneinander. Das ist schon der Schimmer einer neuen Wirklichkeit.
Gewiss – wir alle sind keine „Lichtgestalten“ und kennen – weiß Gott – genug dunkle Fenster im eigenen Leben. Doch dann, wenn wir lieben und geliebt wer-den, sind wir plötzlich eingetaucht wie in ein großes Licht. Christinnen und Chris-ten glauben an dieses große Licht und feiern jeden Sonntag, dass sie gar nicht heraus fallen können aus der Liebe Christi. Wir sind seine Spiegel-Bilder.
Dann ist es eigentlich ein Leichtes, die Mahnung Jesu umzusetzen, unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern auf einen Leuchter, damit es vielen im Haus leuchte.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=808
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