Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Alten Testament, im Buche Deuteronomium (26, 4-10) bekennt sich das Volk Israel in einem „historischen Credo“ zu seinem Gott, der es „mit starker Hand und erhobenem Arm, unter großen Schrecken und unter Zeichen und Wundern“ aus der Fron-Sklaverei Ägyptens herausgeführt hat.
Wenn uns heute diese Erfahrung vermittelt wird, so bedeutet das nichts anderes, als dass auch wir in solche Gefangenschaft geraten können und so sehr in Arbeit auf- und darin untergehen, dass unser ganzes Leben nur noch um einen einzigen Fixstern kreist: die Erwerbsarbeit. Sie fordert vielen Menschen das Letzte ab an Kraft und an Zeit, lässt ihnen kaum noch Spielraum. Spiel-Raum für die andere Seite des Lebens, für Liebe, für Begegnung, für Muße und Kultur.
Auch an diesem Sonntagmorgen surren zuhause die Laptops, werden Manuskripte gewälzt, Tabellen berechnet, Telefonate geführt. Denn die sechs Tage der vergangenen Woche haben wieder mal nicht ausgereicht, um die gebieteri-schen „To-do-Listen“ abzuarbeiten. Und morgen beginnt unerbittlich der neue Wettlauf gegen den Zeiger. Andere packen jetzt schon wieder ihre Siebensachen, denn heute Nachmittag ist Schluss mit lustig: Fernpendler, die sich in die-ser globalen Arbeitswelt auf den Weg machen müssen. Auf Bahnhöfen, Raststät-ten und Flughäfen schaut man in ihre oft traurigen Gesichter. Die wenigsten werden daran etwas ändern können. Denn wer nicht spurt, bekommt schnell zu hören, dass draußen vier Millionen auf Arbeit warten.
Ist uns eigentlich bewusst, dass der Gott der Juden, der auch der Gott der Christen ist, solche Arbeits-Fron nicht duldet? Er führt mit mächtigem Arm hinaus ins Leben. In seinem Namen müssen sich die Kirchen schützend vor diese Menschen stellen, die unter ihrer Arbeitslast fast zusammenbrechen. Wir alle müssten eintreten für eine humane Arbeitswelt, in der die Lasten gerechter verteilt sind. Denn Arbeit hat nicht das Recht, ein Menschenleben total zu besetzen. Unser Lebenshaus besteht nicht nur aus einem Arbeitszimmer!
Allerdings: Manche versklaven sich auch freiwillig, sind schon süchtig nach Arbeit wie nach einer Droge.
Vor wenigen Tagen hat die Fastenzeit begonnen. Ob für solche „work aholics“, wie man sie nennt, nicht ein Arbeitsfasten das Richtige wäre? Denn wer sich in diese Sackgasse der Arbeitssucht verrennt, ist am Ende um sein Leben betrogen. Allen ist nämlich ein „gelobtes Land“ verheißen, „in dem Milch und Honig fließen“. Und das sind Symbole des Genusses, der Lebensfreude, des Glücks. Dem dürfen wir nicht auch noch selbst im Wege stehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=807
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