Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manches kann nicht wieder gut werden. Viele mussten und müssen das aushalten. Wenn ein Mensch gestorben ist, dann wird es nie wieder so, wie es einmal war. Und wenn eine Beziehung zu Ende geht, dann auch nicht. Wenn einem das Vertrauen ins Leben und in die Menschen abhanden gekommen ist, weil man Schlimmes erlebt hat - das muss man aushalten. So ist die Welt. Leider.

Dann ist Trauer und Verzweiflung. Damit gehen Menschen ganz verschieden um. Manche schreien und weinen. Das erleichtert ein bisschen. Manche betrinken sich, damit sie vergessen können, wenigstens für eine Weile. Aber dann kommt er wieder, der Schmerz. Manche Menschen sind wie gelähmt. Starr und steif. Können es nicht begreifen. Wollen es nicht begreifen. Starren auf die Bruchstücke ihres Lebens. Auf die Scherben ihrer Liebe. Auf den Grabstein, der endgültig ist und auf dem ein Name steht. Den kann man nicht abwischen.

So haben am Tag nach Karfreitag zwei Frauen da gesessen und auf den Grabstein gestarrt. Ein paar Stunden vorher hatten sie Jesus dort begraben. Jetzt sitzen sie einfach da: Maria, seine Mutter und Maria aus Magdala, eine Frau, die ihre ganze Hoffnung auf ihn gesetzt hatte. Sie sitzen da, erzählt die Bibel (Mt 27,61). Mehr muss man nicht sagen. Wer das schon erlebt hat, weiß, wie das ist. Später werden sie wahrscheinlich gehen, das Notwendige tun. Den Haushalt versorgen. Die Kinder anziehen. ‚Das Leben geht weiter'. Aber das sagt man dann, wann man nicht direkt betroffen ist Sie erleben es anders. Immer, wenn sie wieder herkommen, wird der Stein da sein. Unverrückbar. Was tot ist, wird nicht wieder lebendig.

Heute ist auf vielen Grabsteinen ein Kreuz. Das erinnert an den Toten von damals. Aber kann das ein Trost sein? Ein Zeichen des Todes als Trost für die Lebenden? Vielleicht ja doch. Gott selber ist da, sagt dieses Kreuz. Auch wo nichts mehr so ist, wie es vorher war, ist Gott. Wo Menschen aushalten müssen. Wo nichts mehr so werden kann, wie es war.

Im Fernsehen habe ich einen Jungen gesehen. Er ist mir bei der Gedenkfeier für die Opfer des Amoklaufs in Winnenden aufgefallen. Er trug ein Plakat, das hat er selber geschrieben: „Warum war gestern. Heute sind wir stark." stand darauf. Die Betroffenen dort in Winnenden haben miteinander ausgehalten. Und manches wird für sie nicht wieder gut. Aber sie sind stärker geworden. Bereit für neues Leben. „Der 11. März ist ein Teil unseres Lebens geworden", sagte ein Schülersprecher. „Doch wir wollen nicht, dass er unser Leben beherrscht." Gott selber ist da, wo Menschen aushalten müssen. Ich finde, an diesen Schülern kann man es spüren. Wo alles tot war, kann Gott lebendig machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7975
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