Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn man mit seinen Sorgen allein ist, das ist schlimm. Und es kommt vor, dass einen die anderen allein lassen. Leider. Vielleicht weil sie gar nicht merken, dass sie gebraucht werden. Vielleicht, weil sie einfach nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen.

Wie das passiert, und dass das überall vorkommen kann, erzählt eine Geschichte aus der Bibel (Mk 14, 32-42). Vielleicht kennen Sie sie. Kurz vor seiner Verhaftung, nachdem sie ein letztes Mal miteinander gegessen und getrunken hatten, ist Jesus mit seinen Jüngern unterwegs. „Heute Nacht werdet ihr euch alle von mir abwenden", sagt er zu ihnen. Er ahnt, was auf ihn zukommt. Da werden auch für Jesus die Sorgen übergroß. „Angst und Traurigkeit wollten ihn überwältigen", erzählt die Bibel. In einem Park sind sie allein. „Bleibt hier und wacht mit mir!" sagt er zu seinen Freunden. Dann geht er noch ein paar Schritte weiter. Jesus will beten. Aber als er zurück kommt zu den anderen, sind die eingeschlafen. „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wach bleiben?" fragt Jesus sie. Das klingt enttäuscht. Er wendet sich noch einmal zum Beten, da sind sie schon wieder eingeschlafen. Da lässt er sie. Und betet. Gott jedenfalls hört ihn. Der schläft nicht. Das scheint ihm zu helfen in seiner Angst. Daran kann er sich festhalten.

Viele können das nicht. Beten. Aber haben Angst. Oder sind traurig. Und haben niemanden, der bei ihnen bleibt. Die Menschen, die ihnen nahe stehen, haben zu tun. Sind unterwegs. Der Fernseher läuft. Sie schlafen. Das ist schlimm.

Aber was hätten sie denn tun können, sagen Sie jetzt vielleicht. Es hat doch keinen Sinn, dass sie sich alle verrückt machen. Es ist doch ganz gut, wenn sie jetzt schlafen und ihre Kräfte schonen. Wenn sie etwas tun können, werden sie da sein.

Ich finde aber, dass die Geschichte zeigt: Wer Sorgen hat, braucht jemanden, der da ist. Auch wenn der nichts tun kann. Jemanden mit Hilfsangeboten überschütten, der einfach bloß Angst hat oder traurig ist - das ist oft gar nicht das Richtige. Da muss man einfach da sein. Jedes Mal dann, wenn der andere auftaucht aus seinem Kummer. An seinem Bett sitzen und da sein. In der Küche stehen oder auf dem Sofa sitzen und dem anderen entgegen schauen. Ich bin da, wenn du mich brauchst. Du bist nicht allein. Oft ist das schon genug. Mehr kann man manchmal sowieso nicht tun.

Noch etwas sagt mir die Geschichten, nämlich: Auch wenn niemand da ist, Gott hört mich. Er schaut mich an. Ihm kann ich sagen, was mich drückt. Manchmal hilft auch das.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7971
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