Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Das Schlimmste am Betteln ist nicht: rumsitzen, warten, das bisschen Geld. Ich komm damit klar: die meisten gehen einfach vorbei. Wirklich schlimm an dem Ganzen ist nur, wenn Dich die Leute ansehen, als wärst Du Dreck.“
Das hat ein junger Mann zu mir gesagt. Er hat immer zwei zottelige Hunde bei sich, wenn er in der Einkaufsmeile bettelt.
Die Bettler in der Innenstadt. Für die Passanten sind sie wie Stolpersteine. Sie irritieren, belästigen, verärgern bisweilen.
Wie viele es in unseren Städten tatsächlich sind, weiß man nicht. Aber derzeit sind zehn Millionen Deutsche von Armut bedroht: Also dreizehn Prozent von uns allen.
Das sagt das Statistische Bundesamt.
Als Pfarrer in der Innenstadt von Kaiserslautern sehe ich immer mehr: Menschen, die durchs soziale Netz fallen und ganz unten landen. Leute, die täglich ums Überleben kämpfen und solche, die sich aufgegeben haben und nur noch betteln können oder wollen.
Wie gehe ich damit um? Ich reagiere spontan, verschieden. Bei den einen bleibe ich stehen. Lege etwas in die Hand oder den Becher. Bei anderen gehe ich weiter.
Es gibt kein Patentrezept, ob es gut ist, was zu geben oder nicht.
Wichtiger als das Geben ist die Haltung, mit der ich diesen Leuten begegne.
Jesus hat dazu mal gesagt: „Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Was immer wir also tun oder unterlassen: es hat was mit Gott zu tun.
Das, worüber wir stolpern, was da irritiert, verärgert oder belästigt, hat was mit Gott zu tun.
Das ist eine Anfrage an uns: Wie ist das mit deinem Erfolg im Beruf, mit deiner Ehe?
Ist das nicht ein großes Geschenk? Und könnte dein Leben nicht auch ganz anders laufen?
Könnte nicht von heute auf morgen eine Krankheit, eine Scheidung, ein Unfall dich aus der Bahn werfen? Und die, die da sitzen und betteln - sind die wirklich so viel anders als du?
Vielleicht ist es das, was Gott uns sagen will. Und dass der, der da sitzt und bettelt, genauso sein Kind ist - ein Kind Gottes. Und dass er nicht Dreck ist. Sondern dieselbe Würde hat wie du. Und unseren Respekt verdient wie jeder andere auch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7884
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