Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wer die 4500 Stufen geschafft hat, den umgibt eine „mysteriöse Aura“ –heißt es. Und er steht vor einem riesigen Fußabdruck, den er mit Verehrung bestaunt. –Wo das ist? Auf dem Berg Sri Pada in Sri Lanka, dem früheren Ceylon. Dieser Berg ist 2250 Meter hoch, für viele ein heiliger Berg. Er ist Wallfahrtsort für mehrere Religionen – für die einheimischen Veddas, die Nachfolger der Ureinwohner, für Buddhisten und Hindus, für Muslime und Christen. Das hängt zusammen mit dem übergroßen Fußabdruck. Jede Religion deutet ihn anders. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Buddhisten verehren in dem Fußabdruck die Anwesenheit Buddhas. Für Hindus hinterließ der Gott Shiva seine Spuren, als er dort mit seinem Schöpfungstanz die Welt erschaffen hat. Muslime sehen darin die Fußspur des Adam, der hier 1000 Jahre auf einem Bein gestanden und um das verlorene Paradies getrauert haben soll. Für manche Christen stammt der Fußabdruck vom Apostel Thomas, der hier das Christentum verkündet hat. Wie auch immer diese Legenden entstanden sind, der Berg Sri Pada ist ein heiliger Ort für Zehntausende, die jedes Jahr hier her pilgern und sich dem Göttlichen nahe fühlen. Und dabei ihre eigenen Fußabdrücke hinterlassen. Und es ist ein Ort, den sich die Religionen friedlich teilen. Ein schönes Zeichen in einer Welt, die auf weite Strecken politisch, kulturell und religiös zerstritten ist. Für mich birgt dieser Ort noch eine ganz andere tiefe Symbolik. Gott ist die unbegreifliche Wahrheit. Und keine Religion besitzt einfach diese Wahrheit. Doch seit jeher bemühen sich Einzelne und Religionen, sich der Wahrheit Gottes zu nähern, ihr auf die Spur zu kommen – indem sie beten und meditieren, indem sie ihre Erfahrungen machen und sie deuten, über Erkenntnisse nachdenken und auch streiten, indem sie fragen und suchen – ob Gott Spuren hinterlassen hat. Die Spur, die mich am meisten überzeugt, heißt: Jesus, der gute Mensch aus Nazaret. Für ihn ist Gott Liebe, mit der er jeden Menschen bedingungslos annimmt. Eine Liebe, in der jede und jeder unbedingt erwünscht ist. Diese Botschaft hat Jesus verkündet und gelebt. Das heißt für mich dann auch: Ohne Liebe ist nichts wahr. Und ich glaube, weil er so sehr geliebt hat, ist Jesus Gott ganz nahe gekommen. Und das ist seine Spur, die er auf dieser Erde bis heute hinterlassen hat.

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