Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Scheuklappen sind praktisch.
Sie helfen Pferden und Eseln, dass sie sich nicht erschrecken und sie eben scheuen.
Aber auch ich finde sie praktisch: Sie verhindern, dass ich unangenehme Aufgaben sehen muss. Das fängt beim Müll raus bringen an und hört bei der Steuererklärung noch lange nicht auf. Sie helfen mir mich ganz auf mich selbst zu konzentrieren. So kann ich mich ganz meinen eigenen Bedürfnissen widmen. Scheuklappen auf und nach mir die Sintflut.
Ob die Menschen in der Bibel schon Scheuklappen kannten, weiß ich nicht. Aber das Verhalten, als ob sie welche aufhätten, das kannten sie anscheinend. Ich glaube, deshalb hat Jesus immer wieder Geschichten von Menschen erzählt, die gerade nicht nur nach ihren eigenen Bedürfnissen sehen. Für Jesus ist wichtig, zu sehen, was die Anderen brauchen. Das macht er auch selber ganz praktisch. Er isst mit Leuten, die als Betrüger gelten und er nimmt eine Ehebrecherin in Schutz, damit sie nicht gesteinigt wird. Jesus hat keine Angst davor, sich die Finger schmutzig zu machen. Er sieht, wo er gebraucht wird und er schaut nicht weg. Das tut den Betroffenen gut, weil sie das nicht gewohnt sind. So gut, dass sie ihr eigenes Leben überdenken.
Immer wieder fordert Jesus die Menschen auf, auch die Bedürfnisse der Anderen zu sehen. Und vor allem ohne Scheu auf die Menschen zuzugehen. Denn so praktisch Scheuklappen ja sind, so sehr können sie uns auch im Weg stehen. „Der fährt doch mit Scheuklappen durch die Gegend“. Dieser Satz rutscht mir beim Autofahren immer wieder raus. Wenn vor mir einer einfach rauszieht, ohne zu blinken. Der schaut weder links noch rechts und fährt einfach drauf los. Dabei wäre es doch so einfach. Ein Blick nach links und ein Blick nach rechts würden schon genügen.
Heute am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Sieben Wochen vor Ostern. Für Viele eine Chance diese Zeit bewusst zu erleben und bewusst zu gestalten. Wie gut das tut, darauf will in diesem Jahr die Fastenaktion sieben Wochen ohne hinweisen. Wie jedes Jahr ist die Fastenzeit eine Gelegenheit etwas abzulegen oder sich etwas abzugewöhnen, was einen am Leben hindert.
Sieben Wochen ohne Scheu ist das Thema der beginnenden Fastenzeit. Ich mache dieses Jahr wieder mit und ich habe mir vorgenommen, mich in dieser Zeit zu fragen: Wo habe ich Scheuklappen in meinem Leben? Vor welchen Dingen verschließe ich am liebsten die Augen? Gibt es vielleicht Menschen in meinem Umfeld, auf die ich zugehen sollte. Ganz ohne Scheu? Sieben Wochen ohne Scheu: Ich bin sehr gespannt, welche Begegnungen ich in dieser Zeit haben werde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7739
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