Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn man den Bogen überspannt, damit man weiter kommt, dann reißt die Sehne. Oder das Holz splittert. Dann geht gar nichts mehr.
Das hat der Skispringer Martin Schmitt vor ein paar Wochen erfahren. Er hat seinem Körper zugemutet, was er eigentlich gar nicht aushalten kann. Je mehr ich trainiere und meinen Körper klapperdürr halte, desto besser werde ich, wird er gedacht haben. Aber genau das war ein Irrtum. Diese Gleichung geht nicht auf. Und das ist nicht bloß im Sport so. Das kann jedem passieren: im Beruf, in der Schule, auch bei den Aufgaben in der Familie oder im Ehrenamt. Wer meint, mit mehr Training und mehr Fleiß und mehr Nachhilfe und mehr Einsatz wird schon alles zu schaffen sein – der ist irgendwann ausgebrannt und fix und fertig. Dann geht nichts mehr.
Denn damit man etwas gut machen kann, braucht man noch etwas anderes: Freude. Freude an der Arbeit und überhaupt Freude am Leben. Es muss einem Spaß machen, was man tut. Dann geht viel. Dazu braucht man Lebensfreude. Die Freude, sich selbst zu spüren. Das Gefühl: es lohnt sich, zu leben. Und das kann man nicht spüren, wenn man sich immer nur noch mehr und noch mehr anstrengt. Wie schön das Leben ist, spürt man vor allem in den Pausen. In den Pausen kann man sich an dem freuen, was man erreicht hat. In den Pausen kann man mit denen zusammen sein, die sich über mich und mit mir freuen. Geteilte Freude ist doppelte Freude. In solchen Pausen wächst die Kraft – nicht bloß beim Training und im Wettkampf.
Es ist deshalb eine Wohltat, finde ich, dass Gott den Menschen eine Pause verordnet hat. Den Sonntag. Das war ja gewissermaßen die erste Pause, ganz offiziell ins Leben hineingesetzt, damit Menschen merken, wie gut sie es haben. Damit die Freude am Leben zurück kommt, die einem ja wirklich im Alltag und seiner Hektik verloren gehen kann. Als Gott die Welt geschaffen hat, hat er den Sonntag gewissermaßen gleich mit geschaffen. Das hält die biblische Schöpfungsgeschichte ausdrücklich fest. Als er den Rhythmus von Tag und Nacht, von Sommer und Winter, von Wachsen und Ernten gegeben hat, da hat er auch den Sonntag, die Pausen gegeben. Es ist wahrscheinlich nicht klug, wenn wir meinen, wir wüssten es besser. Leben ohne Pausen ist kein Leben. Da vergeht einem die Freude an dem, was man tut. Ohne Pausen hat man bald keine Kraft mehr.
Heute Abend starten in Vancouver die Skispringer. Ich hoffe sehr, dass Martin Schmitt und seine Kameraden weit fliegen werden. Aber auch, dass sie den Bogen nicht überspannen, sondern rechtzeitig Pause machen und der Lebensfreude Platz lassen. Und Sie und ich, wir sollten das auch tun. Morgen zum Beispiel. Morgen ist Sonntag.
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