Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Es ist unglaublich,“ hat Angelika zu mir gesagt, „es ist unglaublich, wie nahe man sich kommt, wenn man sich ganz fremd ist.“ Wahrscheinlich habe ich ziemlich begriffsstutzig geguckt, deshalb erzählt sie mir, wie sie das meint: Angelika muss regelmäßig von Stuttgart nach München. Und weil sie als Studentin knapp mit dem Geld ist, sucht sie sich jedes Mal eine Mitfahrgelegenheit. „Sie glauben nicht, wie toll man sich da unterhalten kann,“ sagt sie. „Man traut sich, Sachen zu sagen, die würde man sonst kaum jemandem erzählen. Ich erfahre da oft Dinge, die mich noch eine ganze Weile beschäftigen. Auch von mir selber. Wenn man seine eigenen Gedanken ausspricht und erlebt, wie ein ganz Fremder reagiert: Dann sieht auf einmal alles ganz anders aus. Es ist unglaublich, wie nahe man sich kommt, wenn man sich ganz fremd ist.“ ---
Sich näher kommen, anderen und dabei auch sich selber: Das tut ihr gut, sagt Angelika. Hinterher habe ich gedacht: Vielleicht ist das das Geheimnis vieler Geschichten, die von Jesus erzählt werden? Jesus war auch viel unterwegs. Und überall sind ihm Leute begegnet. Leute, die ihn eigentlich gar nicht kannten. Und die ihm trotzdem erzählt haben, was ihnen auf der Seele lag. So wie die Frau am Brunnen. Jesus spricht sie an, obwohl man das eigentlich nicht tut – damals schon gar nicht. Und ganz schnell kommen sie in ein sehr persönliches Gespräch. Sie reden über die verkorksten Ehen der Frau, aber auch darüber, worauf man vertrauen und wie man glauben kann (Joh 4). Anscheinend erfährt die Frau dabei Sachen über sich selbst, die sie vorher so nicht gesehen hat. Und am Ende ist sie ein Stück weiter gekommen mit sich und ihrem Leben.
Natürlich ist irgendeine wildfremde Mitfahrgelegenheit nicht Jesus. Und die alte Dame, die mir im ICE gegenüber sitzt auch nicht. Aber vielleicht lohnt es sich ja, sich auf ein Gespräch einzulassen. Vielleicht sucht sie jemanden, der ihr zuhört? Vielleicht ist es gut, wenn sie mir erzählt, was sie eigentlich ihrer Tochter schon lange sagen wollte? Vielleicht könnte ich ihr sagen, wie ich die Dinge sehe?
Und ich? Es gibt Dinge, die würde ich gern mal mit jemandem besprechen, der mich nicht kennt. Weil der andere dann ganz unbefangen sagen könnte, was er denkt.
Ich erzähle Ihnen das heute Morgen, weil gestern „7 Wochen Ohne“ angefangen hat. In diesem Jahr: 7 Wochen ohne Scheu. „Näher“ heißt das Motto. Deshalb habe ich Ihnen von Jesus und von Angelikas Erfahrungen beim Mitfahren erzählt. Vielleicht probieren Sie es ja mal aus in den nächsten Wochen? Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Gott bei solchen Gesprächen ganz nahe ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7729
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