SWR3 Gedanken

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Samstagabend und allein zu Haus. Ich beschließe, das Kochen heute bleiben zu lassen. Mein Lieblingsitaliener kann das eh viel besser.
Der Kellner fragt, ob er schon die Karte bringen darf, oder ob ich noch auf jemanden warte. „Nein, nein, die Karte!“ Und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass mich auch einige der anderen Gäste misstrauisch bis mitleidig beäugen: allein im Restaurant – ein armer Hund. Ähnliche Erfahrungen berichten mir Freunde, die allein im Kino, allein am Tresen oder allein im Urlaub waren. Ich glaube, Alleinsein hat einen schlechten Ruf.
Jetzt gibt es eine Untersuchung zum Alleinsein mit überraschendem Ergebnis. Das Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung hat in Andechs ein Experiment gestartet. Freiwillige wurden für mehrere Wochen allein in ein Zimmer gesperrt. Ohne Telefon, Fernseher oder andere Medien, nur Briefschreiben war erlaubt. Allerdings durfte jeder das mitbringen, womit er sich am liebsten die Zeit vertreibt: Bücher, Musikinstrumente oder Bauchmuskeltrainer.
Das Überraschende für mich: 80% der Testpersonen würden das Isolationsexperiment jederzeit wiederholen. Sie waren danach ruhiger und ausgeglichener als zuvor. Das Experiment hat ihnen offensichtlich gut getan.
Für die Verhaltensforscher nichts Neues. Sie sagen: „Es ist Teil unserer Natur, dass wir in regelmäßigen Abständen eine Ruhepause für uns selbst brauchen - gerade weil wir heute unglaublich vielen Außenreizen ausgesetzt sind.“ Laut Wissenschaft fördert das Alleinsein Selbsterkenntnis sowie das Wachstum der Seele und der Kreativität.
Da lag ich ja gar nicht so falsch mit meinem einsamen Restaurantbesuch. Einen Samstagabend allein verbringen – damit ernte ich vielleicht ein paar schräge Blicke, aber es kann auch Balsam für die Seele sein.
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