Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Rund 800.000 Menschen sterben in Deutschland pro Jahr. Aber irgendwie kriegt man das gar nicht mit. Wenn man nicht im Krankenhaus, im Altenpflegeheim, beim Friedhof oder als Bestatter arbeitet. Und irgendwie kriegt man auch die Trauer der Angehörigen nicht mit. Bei 800.000 Verstorbenen im Jahr müssten doch auch mindestens 800.000 Menschen trauern. Wenn nicht mehr! Aber man sieht sie nicht. An der Kleidung zum Beispiel sieht man die Trauer so gut wie nicht mehr. Fast nur noch auf den Dörfern werden schwarze Kleider als äußere Zeichen der Trauer getragen. Und man spürt die Trauer auch oft nicht. Weil viele Menschen nicht trauern können. Weil sie sich keine Zeit dafür nehmen können oder wollen. Und manche trauen sich nicht zu trauern, weil es zu weh tut oder weil andere nicht damit zurecht kommen.
Eine Bestatterin hat mir nach dem Tod meines Bruders einen Text geschickt. Er heißt „Das Recht zu trauern“. Und ich finde ihn so gut, dass ich ihn gern weitergeben möchte:

„ Du hast ein Recht auf deine Trauer.
Du darfst dich deinen Verlusten widmen, musst nicht verdrängen, was dich beschwert. Du hast ein Recht, das abzutrauern, was dich so tief enttäuscht hat und was du nicht ändern kannst.
Du hast ein Recht auf Deine Trauerzeit.
Du hast ein Recht auf deine Tränen, auf dein Schweigen, auf deine Ratlosigkeit, auf deine innere und äußere Abwesenheit. Du musst nicht den Glücklichen spielen, nicht über den Dingen stehen.
Du hast ein Recht, die wegzuschicken, die dich mit Gewalt aus deiner Trauer herausholen wollen, weil deine Trauer sie selbst bedroht.
Du hast ein Recht auf deine Trauerstille.
Du hast ein Recht, mit denen nicht reden zu wollen, die dir ein schlechtes Gewissen machen für deine Dunkelheit und Trauer. Die mit Sprüchen kommen und dich mit diesen Sprüchen unter Druck zu setzen versuchen.
Du hast ein Recht auf deine Trauer.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7644
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